FOTO Nelson Garrido

Sleep

Silent Living, ein Zuhause auf Zeit

FOTO Nelson Garrido

Joau Rodrigues hat als Pilot einen Großteil seines Lebens auf Reisen verbracht. Er versteht das Heimat-Bedürfnis, das jeder Mensch verspürt, daher besonders gut. Mit seinem Projekt „Silent Living“, schafft er das Gefühl von Heimat und „Zuhause sein“ mit Design und Architektur – aber auch dank Gastfreundschaft, Natürlichkeit und menschlichem Miteinander.

Gastfreundschaft ist das A und O

„Silent Living“ sind fünf sehr unterschiedliche Häuser an verschiedenen Orten in Portugal. Sie alle sind seit Generationen im Besitz von Joao Rodrigues‘ Familie, stecken voller Erinnerungen und Geschichten. „Silent Living“ ist ein Projekt zur Rettung und In-Wert-Setzung dieser alten Schätze, die die Verbundenheit der Vorfahren mit dem Land symbolisieren. So entstand 2010 ein Tourismusprojekt, das keines sein will: „Wir wollten das, was wir hatten, mit anderen teilen. Daher haben wir unsere Häuser für den Aufenthalt von Gästen geöffnet. Wir haben diesen Prozess ‚Silent Living‘ genannt, ein Lebensstil des Glücks und der Erfüllung.“

Der Schlüssel zu „Silent Living“ ist die Sicht auf die Gastfreundschaft: Sie muss einfach, unkompliziert und herzlich sein, so der Unternehmer. Das hat er von seiner Familie gelernt. „Meine Eltern und Großeltern haben mir beigebracht, dass man immer nur das Beste geben sollte“, so Joao. Bei seinen Grosseltern zuhause erlebte Joao immer viele verschiedene Leute an einem Tisch, egal von welchem Rang. Gemeinsam am Tisch waren dort alle gleich und redeten auf Augenhöhe miteinander – egal ob CEO, Politiker oder Arbeiter.

Hospitality, so erinnert er, kommt von Hospital – ein Ort, an dem Menschen in Not geholfen wird. Zu einer Zeit, als das Reisen noch beschwerlich war und tagelang dauerte, lebte Joaos Urgroßmutter Hospitality im eigentlichen Sinn, lange bevor es so hieß: „Sie nahm immer Reisende in ihrem Zuhause auf. Viele dieser Leute waren tagelang gewandert und brauchten Hilfe. Das war ihre Art, Liebe zu teilen: indem sie andern half. Mit wurde klar, dass sie mir die große Verantwortung hinterlassen hat, Menschen bei uns willkommen zu heißen.“

Die „Silent living“ Hotels werden eins mit der Natur.

Silent living
FOTO: Silje Kvernerland

Das wenigste ist gerade – so auch das Fenster in die Natur.

Zuhause bei Freunden

Joao mag zwar heute einen modernen Hotelbetrieb leiten, aber der Geist der „Hospitality“ seiner Großmutter lebt in „Silent living“ weiter – und das kommt in dieser Branche einer kleinen Revolution gleich: Bei Ankunft stellt sich den Gästen das ganze Team vor, vom Chauffeur über das Küchenteam und die Masseurin bis zum Servicepersonal. Bei dieser Gelegenheit entstehen Gespräche, die sich um die Bedürfnisse der Gäste drehen können, aber auch um Gott und die Welt, genau wie bei Freunden. Und genau wie man es bei Freunden tun würde, fragt Joao seine Gäste um Rat. Wenn sie machbare Ideen oder Verbesserungsvorschläge haben, setzt er sie um und berichtet seinen Gästen dann davon. Diese Art der Intimität kann es bei „Silent Living“ nur geben, weil die Häuser klein sind. Wenn etwas nicht funktioniert, ist das nicht schlimm, er kann es ohne groβen Aufwand wieder rückgangig machen. Keines der Häuser hat mehr als 6 Zimmer, und so soll es auch bleiben.

Nachhaltiges Essen
FOTO Silent Living

Kulinarisch gibts nur das Bio-Beste aus der Region.

Nachhaltiges Essen
FOTO: Silent living

Feines Dinieren: Das macht Gemütlichkeit aus.

Architektur, die die Seele berührt

„Silent Living“ ist Architektur in Verbindung mit Familiengeschichte, lebendigen Erlebnissen und Erinnerungen. Der kreative Kopf dahinter ist Manuel Aires Mateus von einem renommierten Architekturbüro aus Lissabon. Der preisgekrönte Architekt und Dozent verfolgt einen Stil, in dem die Leere ebenso wichtig ist wie das Gebäude und wo die Wirkung des Lichtes auf das Gesamtwerk eine groβe Rolle spielt.
Zusammen haben die beiden ein Architekturkonzept entworfen, das gleichzeitig traditionell und modern, zurückhaltend und stark ist. Architektur und Design passen sich an die Gegebenheiten und den Charakter jedes der Häuser und seiner Umgebung an – so entsteht perfekte Harmonie. „Wir versuchen, die Menschen durch Architektur und Ästhetik zu inspirieren und ihr Leben während ihres Aufenthalts bei uns zu berühren. Wir glauben, dass sich die Gäste durch die Reduktion oberflächlicher und überflüssiger Dinge leichter einrichten und entspannen können“, so Joao.
Die Verwurzlung am Ort ist dabei genauso wichtig, wie das Design selbst: Sie verwenden nur lokale Materialien und greifen auf lokale Handwerkskunst zurück.

Silent living
FOTO Renee Rae

Hotelzimmer mit Sandboden direkt am Strand? Genau!

Silent living
FOTO Renee Rae

Holz, Schilf und Lehm: Das Hotel ist aus Natur.

Die „Silent living“- Häuser

Casas na Areia – Häuser im Sand

Die kleinen Fischerhäuschen, die im Halbkreis an der Küste von Comporta südlich von Lissabon stehen, waren 2010 der Beginn von „Silent Living“. Joao Rodrigues wollte hier ein Gefühl dafür aufleben lassen, wie die Menschen an der Küste früher lebten. Die Häuser sind daher klein, denn ohne moderne Hilfsmittel kann man ein größeres Haus nicht heizen. Der Boden ist mit Sand bedeckt, was den Häuschen ein ganz besonderes Ambiente verleiht – und den Gästen das lästige Gefühl nimmt, das Haus schmutzig zu machen, wenn die mit Sand an den Füssen hereinkommen.

Cabañas no Rio – Hütten am Fluss

Hervorgegangen aus einem Familienausflug, ist das zweite Refugium mit zwei kleinen Hütten am Rio Sado auf den ersten Blick nicht mehr als ein paar Bretterbuden. Sie stellen das einfache Leben eines Fischers nach, der von und mit der Natur lebt. Faszinierende Isolation und Stille in Sichtweite der Werften von Setúbal. Eine der Zwillingshütten beherbergt einen Wohnbereich und eine einfache Küche, die andere Schlafzimmer und Bad. Beide bieten Intimität inmitten der Elemente und eine gesunde Verbundenheit mit dem Wesentlichen.

Casa no Tempo – Haus in der Zeit

Das Landhaus an der Küste östlich von Lissabon war das Zuhause von Rodrigues‘ Großvater. Die dicken Mauern und der weiße Anstrich sind dafür gemacht, den heißen Sommern zu trotzen. Gleichzeitig lassen die Fenster und Türen das ganze Haus mit Licht fluten, sodass die Grenzen zwischen Landschaft und Schutzraum verwischen. Casa no Tempo bietet vier Suiten mit regionalem Charme, einen groβen Pool und eine Küche samt groβem Tisch für das Gemeinschaftsgefühl beim Kochen und Essen, wie zu Großvaters Zeiten. Dieses Feeling zieht sich bis ins Wohnzimmer, wo ein ganz besonderer Kamin Familie und/oder Freunde abends vereint.

Santa Clara 1728

Santa Clara 1728 ist ein Gebäude aus dem 18. Jahrhundert im Zentrum von Lissabon, mit Blick auf den Rio Tajo und inmitten anderer alterhwürdiger Gebäude. Joao und Familie haben es mit moderner Eleganz und Respekt vor seiner Geschichte renoviert. So wurde es zu einer friedlichen, stillen Oase voller Licht mitten im Wirbel der Groβtadt. Unaufgeregte Farben lassen die Gäste zur Ruhe kommen und sich auf das Wesentliche konzentrieren: Die Gäste der sechs Suiten essen, reden und genießen gemeinsam am riesigen Tisch und schlieβen so den Kreis zu Joaos Grosseltern, wo alle auf Augenhöhe an einem Tisch saβen. Ein schöner Garten bietet ein zusätzliches Element von „Silent„.

Casa na Terra – Haus in der Erde

Wie der Name schon sagt, verschmilzt dieses einzigartige Haus bei Monsaraz im Alentejo mit der Erde wie ein verborgener Schatz. Wer nicht weiß, dass es da ist, sieht es erst, wenn er am Eingang steht. Nicht umsonst wurde es von Arch Daily als Gebäude des Jahres 2020 in der Kategorie „Häuser“ ausgezeichnet. Casa no Terra wurde vom Studio Aires Mateus entworfen und Joaos Familie von Freunden anvertraut, um sich daum zu kümmern und es mit Gästen zu teilen. Sie sagten zu, denn das Haus repräsentiert alle Werte von „Silent Living“: Der friedliche Ort mit Seeblick verbindet die Natur mit der Essenz des Menschlichen durch eine offene Kuppel und einen weiteren großen Tisch als Zentrum des Hauses.

Vera Neeten
Autorin Vera Neeten

Vera schreibt für uns remote vom Tor zu Patagonien/Chile aus. Dort ist sie als echter Outdoor-Fan genau richtig: Ob im Urwald, auf Lavafeldern oder am Pazifikstrand, Vera hält immer Ausschau nach kleinen Naturschätzen, erstaunlichen Details und kreativen Ideen. Kein Wunder, dass sie bei uns am liebsten über Travel, Nachhaltigkeit und spannende Menschen schreibt.

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