FOTO Getty Images

Innovation

Wenn aus Kaktusfeigen Energie wird

FOTO Getty Images

Die göttliche Frucht Mexikos: Schon die Azteken schätzten den Feigenkaktus für seine vielseitigen Kräfte, die über die Landesküche hinausgehen. Inzwischen wird der sogenannte Nopal zum Energieerzeuger und Lichtgarant in Mexikos Städten.

Biogas-Projekt in Milpa Alta

Grüne Oase am Rande der Metropole Mexico City: Die 2800 Hektar große Kakteen-Plantage ist Alltag der Bewohner des Bezirkes Milpa Alta. Ihre Blätter und feigenähnlichen Früchte, auch bekannt als Kaktusfeige oder Tuna, stehen nicht nur auf dem Speiseplan in mexikanischen Haushalten, sondern sind auch Haupteinnahmequelle vieler Anwohner.
Auf dem zentralen Gemüsemarkt werden die orange-rötlichen Früchte und die grünen Blätter der Wüstenpflanze zahlreich verkauft. Übrigbleiben am Ende des Tages um die acht Tonnen organischer Kakteen-Abfall. Doch warum in Zeiten der Ressourcenknappheit die nicht verwerteten Reste wegschmeißen, anstatt sie sinnvoll zu nutzen? Das denkt sich 2014 auch das Start-up Sumea. Statt den organischen Müll unverwertet zerfallen zu lassen, stellen sie im Rahmen eines Pilotenprojekts Biogas und Dünger her.

Farmer erntet Kaktusfeigen
FOTO Getty Images

Ein Feigenkaktus kann bis zu sechs Meter hoch werden. Daher brauchen die Farmer gerne mal Hilfsmittel, um die Früchte ernten zu können.

Kaktusfeigen werden gereinigt
FOTO Getty Images

Mit der Bürste werden die Stachel an der Schale entfernt, bevor Kaktusfeigen auf dem Gemüsemarkt verkauft werden.

Solche Interventionen sind im Hinblick auf die Klimaziele eine Chance, die Dekarbonisierung, also Reduzierung von Kohlendioxidemissionen, weiter voranzutreiben. Bis 2024 will Mexiko seine Energie zu 35 Prozent aus erneuerbaren Quellen beziehen. Zurzeit wird der grüne Energieanteil, der ungefähr bei der Hälfte des angestrebten Ziels liegt, größtenteils aus Wasser- und Windkraft gewonnen. Die Energieerzeugung aus Biomasse wie Holz, Pflanzen und organischen Abfällen liegt erst bei 0,3 Prozent – ein noch recht geringer Anteil, der allerdings zum nächsten Jahr hin verzehnfacht werden soll. Neben Suema existieren mittlerweile einige andere Unternehmen, die sich dem Thema Biogas annehmen. So hat Sistema Bio bereits über 3000 kleinere Biogasanlagen im ganzen Land installiert. Auch wenn Bioenergie eine umweltfreundlichere Alternative zu fossilen Brennstoffen darstellt, kann diese Art der Stromerzeugung Nachteile mit sich bringen: Es können verschiedene Formen der Rodung stattfinden, um neue Pflanzen-Plantagen zur Energiegewinnung zu erschaffen – mit umweltschädigenden Folgen wie hoher CO2 Ausstoß und die Vernichtung diverser Ökosysteme. Werden Pflanzen zudem ausschließlich zu Biogas verwertet, fallen sie als Nahrungsquelle weg. Deshalb setzen Unternehmen wie Suema auf Pflanzenabfälle, deren DNA bereits von existierenden Agrarfeldern stammt.

Feigenkaktus mit Früchten
FOTO Getty Images

Die Früchte des Feigenkaktus können von Grün über Orange bis Tiefrot reichen – je nach Sorte.

80 Zentimeter …

… so groß kann der Feigenkaktus innerhalb eines Jahres werden. Damit zählt er zu den am schnellsten wachsenden Kakteen – nur ein Grund, warum diese Art so beliebt im Anbau ist. Geschätzt wird die Kulturpflanze mit Stacheln bei Agrarwirtschaftenden ebenfalls für ihre Resilienz gegen Hitze und Trockenheit. Widerstandsfähigkeit beweist der Feigenkaktus auch in Sachen Schädlingen und Krankheiten, weshalb er im natürlichen Anbau nur minimale Pflanzenstärkungsmittel benötigt. Bis zu zwanzig Jahre lebt ein Feigenkaktus. In dieser Zeit lassen sich seine Blätter regelmäßig ernten, da sie bereits innerhalb von 30 Tagen nachwachsen. Möchte man diese zur Erzeugung von Biogas nutzen, müssen die Blätter in den ersten vier Monaten geerntet werden. Danach sinkt der Methanertrag.

Biogasanlage mit Kreislaufwirtschaft

Um aus Kaktusfeigen-Abfällen, wie der Schale, Biogas und damit auch Strom zu erzeugen, kommen Verfahren wie Verbrennung, Fermentation und anaerobe Vergärung zum Einsatz. Suema greift auf Letzteres zurück. Nachdem die organischen Abfälle zerkleinert und verflüssigt wurden, bauen Mikroorganismen in einer solar-beheizten Biogasanlage das organische Material ab. In dem natürlichen Zersetzungsprozess entstehen Biogase, aus denen thermische und elektrische Energie gewonnen wird. Der bei der Vergärung zurückbleibende Kompost wird entsaftet und als Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt. Nur 16 Stunden dauert der Prozess in der Biogasanlage, sodass am Tag um die 170 Kubikmeter Gas erzeugt werden können. Damit steht eine Stromversorgung von 240 kWh täglich zur Verfügung. Zum Vergleich: Ein Mensch benötigt durchschnittlich 3,6 kWh pro Tag.

Suema ist mit diesem Kreislaufwirtschaftsprojekt eines der ersten seiner Art in Lateinamerika. Involviert in den Zyklus sind jedoch nicht nur Beteiligte des Unternehmens. Die 300 lokalen Produzenten auf dem Markt von Milpa Alta trennen die Kakteen-Abfälle in organischen und anorganischen Müll und leisten so eine wertvolle Vorarbeit für die Gewinnung von Biogas. Seit Jahren erhellt dieses Projekt Milpa Alta: Das gewonnene Biogas reicht, um den Markt am Tag mit Strom zu versorgen und in der Nacht zu beleuchtet. Zudem können jede Menge Marktstände den gasförmigen Ertrag zum Kochen nutzen. Ob Biogas mit grünen Energiequellen wie Wind und Sonne jemals mithalten kann, bleibt allerdings fraglich. Doch es bietet die Möglichkeit, Ressourcen noch effizienter zu nutzen und kleinere Betriebe wie den Milpa-Alta-Markt oder Restaurants autark mit Energie zu versorgen.

Kaktusfeigen
FOTO Getty Images

Die Frucht des Feigenkaktus schmeckt süß-säuerlich – ähnlich wie Birnen.

Öl-Fläschen
FOTO Getty Images

Um ein Liter Kaktusfeigenkernöl herzustellen, braucht man eine Tonne an Früchten.

Kaktusfeigen als Beauty-Booster der Natur

Die Feigen mit Stacheln sind wahre Energielieferanten – auch über den Strom hinaus. Enthaltene Antioxidantien, Vitamine und Mineralien gelten als besonders gesund sowohl in der Ernährung als auch Hautpflege. Im Skincare-Bereich haben sich insbesondere Kaktusfeigenkernöl und -Wasser einen Namen gemacht.

Vitamin-Öl für makellose Haut

In der Beauty-Szene wird die Wüstenpflanze mit ausgeprägtem Wasserspeicher in den scheibenförmigen Sprossen vor allem wegen ihrer feuchtigkeitsspendenden und – unterstützenden Wirkung geschätzt. Das aus dem Kern des Fruchtfleisches gewonnene Öl-Extrakt ist besonders reich an Vitaminen und Antioxidantien. Vitamin E nährt die Haut und stärkt die natürliche Hautbarriere. Das extrahierte Vitamin C wirkt wie ein Anti-Aging-Booster, das die Kollagenproduktion anregt und Fältchen entgegenwirkt. Darüber hinaus schützt es in Kombination mit den Antioxidantien die Haut vor freien Radikalen und somit Unreinheiten.

Feigenkaktus-Wasser als Skincare-Drink

Wie heißt es doch immer: Schönheit kommt von innen. Kaktus-Wasser unterstützt die Gesundheit und Regeneration der Haut. Zudem kräftigt der Drink mit seinen nahrhaften Inhaltsstoffen das Bindegewebe und beugt brüchigen Nägeln vor. Cooler Nebeneffekt: Das Kaktus-Wasser enthält wie auch Energydrinks Taurin, allerdings in natürlicher Form. Eine gesunde Alternative für einen nötigen Energie-Kick bei Müdigkeit oder einem Tagestief.

Judith Püschner
Autorin Judith Püschner

Judith liebt das Leben mitten in der Metropole Köln. Ihr Gespür für spannende Storys führt sie regelmäßig zu außergewöhnlichen Themen mit aktuellem Zeitgeist. Schon seit ihrer Kindheit folgt sie ihrer Passion, dem Schreiben; seit zwei Jahren nun auch als Redakteurin. Besonders begeistern sie die Themen Psychologie, DIY und Yoga. Bereiche, über die sie als Online-Redakteurin schreibt und die sie gerne ihrer Freizeit ausübt. Ein Gespür für ästhetische Einrichtung besitzt sie bereits seit ihrem Studium im Bereich Design. Seither entdeckt sie immer wieder neue Design-Innovationen und einzigartige Architekturen, über die sie auf kronendach berichtet. 

Weitere Artikel
Frau in Vintage Lederjacke mit Cap.

Mode

Die 7 besten Vintage-Online-Shops für individuelle Looks

Individualität liegt im Trend, vor allem in der Mode. Auf TikTok, ...

Frau lebt glücklich allein und ist Pizza.

Psychologie

Honjok, die koreanische Philosophie, um glücklich allein zu leben

Honjok ist die koreanische Philosophie des Alleinseins. Es steht f...

Mehrere Metamorphose der Drahtfiguren von Matthieu Robert-Ortis, Mann im Schneidersitz wird zur DNA Doppelhelix, Elefant wird zu Giraffen, Schlange und Weltkugel werden zu Eva und Wassermann

Kunst

Die Metamorphose der Drahtskulpturen von Künstler Matthieu Robert-Ortis

Der französische Künstler Matthieu Robert-Ortis ist vom Perspektiv...

Wabi Sabi Schriftzeichen

Psychologie

Wabi Sabi, der japanische Gegenentwurf zum Perfektionismus

Das Leben ist voller Unvollkommenheiten, augenscheinlicher Fehler,...

Modell tragen Fashion von Rolf Ekroth.

Mode

Rolf Ekroth, finnische Fashion zwischen Nostalgie und Zukunft

Bereits zum zweiten Mal zeigt Rolf Ekroth seine außergewöhnlichen ...

Cocoa Press 3D-Drucker druckt Schokoladenkreation

Innovation

3D-Drucker für Schokolade? Diese Brands lassen süße Träume wahrwerden

Schokolade in jeglicher Form und Farbe, wahre Kunstwerke zum Versp...

Alcohol Ink Art in Blau und Gold hängt an der Wand

DIY

DIY-Anleitung: Alcohol Ink Art

Abstrakte Bilder erobern nicht nur die Kunstszene, sondern auch di...

Tea Steam Facial: eine Teekanne, aus der Dampf aufsteigt.

Skincare

Tea Steam Facial, das Dampfbad fürs Gesicht

Tees schmecken nicht nur an kalten Tagen gut, sie sind auch wertvo...

LIVE IT UP (Disco Szene) in Falling in Love.

Gesellschaft

„Falling in Love“ Berlin, Designer Jean Paul Gaultier im Kristallrausch

Der Friedrichstadt-Palast strahlt, denn die neue Show "Falling in ...

Mode

project autark, zeitlose Mode, moderne Designs

Zeitlose, genderneutrale und minimalistische Mode, die nicht nur e...

Ein Schachspiel aus Bienenwachs von FAUM.

Design

Ein Schachspiel aus Bienenwachs, zum Dahinschmelzen schön

Wer sich das Schachspiel des australischen Labels FAUM zulegt, kan...

Frau grübelt.

Psychologie

Overthinking, 5 japanische Techniken gegen Gedankenspiralen

Grübeln, nachdenken und überlegen – sich zu lange den Kopf über ei...

Newsletter

Melde dich für unseren Newsletter an.

Folge uns