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Skincare

Halal Kosmetik: Eine Gründerin revolutioniert die Beauty Industrie

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Beauty frei von Alkohol ist keine Selbstverständlichkeit – auch nicht in der Naturkosmetik. Doch was macht Alkohol für die Industrie so interessant? Wie wirkt er als kosmetischer Inhaltsstoff auf unsere Haut und wann ist ein Produkt frei davon?

Sara Naggar und ihre Halal-Kosmetik

Sara Naggar ist Unternehmerin durch und durch. Ihre Ideen werden von ihrem Wunsch angetrieben, den eigenen Lebensstil mit ihrem islamischen Glauben einfacher vereinbaren zu können. Gerade erst hat sie zusammen mit Bloggerin zara_secret Maniac ins Leben gerufen, eine Nahrungsergänzungsmittelmarke mit Halal-Supplementen. Doch ihr Weg zur Unternehmerin beginnt bereits vor zehn Jahren. Zu dieser Zeit sitzt die schwangere Sara auf dem Sofa und klickt sich durch die digitale Shoppingwelt auf der Suche nach Modest Fashion, wie die modische Kleidung nach religiösem Standard heißt. Als gläubige Muslimin und moderne Frau ist Naggar wichtig, sich stilvoll und zugleich Islam gerecht zu kleiden. Nach vergeblicher Suche fasst Sara einen Beschluss: Wenn es entsprechende Produkte nicht gibt, muss sie diese eben selbst erschaffen. Sara ist eine Frau, die auf ihre Worte schnell Taten folgen lässt und so gründet sie ihr Unternehmen Lia Fashion.

Halal-Kosmetik, mehr als vegan

Doch nicht nur in der Fashionwelt zeigt sich eine Diskrepanz mit Saras islamischen Vorstellungen. Vor drei Jahren möchte die junge Unternehmerin auch zur Revolution der Beautybranche beitragen. Wieder schwanger, diesmal mit Kind Nummer zwei, arbeitet Sara an ihrer eigenen Kosmetik. Wie bei ihrer Mode legt sie Wert auf faire Arbeitsbedingungen und eine nachhaltige Produktion. „Nachhaltigkeit ist Teil von halal, also eine Selbstverständlichkeit in der Religion, auch wenn dieser noch nicht immer nachgegangen wird“, berichtet Sara im Gespräch mit uns. So sind ihre Produkte von Lia Cosmetics wie der Nagellack halal und können bedenkenlos auch während des Ramadans genutzt werden.

Doch was bedeutet halal eigentlich? „Der Begriff halal meint in der Beautyindustrie, dass Inhaltsstoffe und ethische Werte mit dem Islam vereinbar sein müssen. Tierische Produkte, sei es auch ’nur‘ Läuseblut, sind ein absolutes No-Go“, erklärt Sara weiter. Und auch Alkohol ist (k)ein Thema. Für zertifizierte Halal-Kosmetik muss neben Alkohol zudem auf verschiedene chemische Zusatzstoffe wie Chloroform verzichtet und darüber hinaus nach hygienischen und ethischen Herstellungsvorschriften produziert werden. „Damit ist halal vegan, aber nicht alles, was vegan ist, ist auch halal. Beispielsweise enthalten einige Produkte Alkohol, die vegan sind, aber für Muslime nicht halal“, fasst Sara zusammen. Es geht um Reinheit, was bei Cremes, Gesichtswasser und Co. durch „100 % halal“ kenntlich gemacht wird. So ist Halal-Kosmetik nicht nur interessant für Menschen, die dem islamischen Glauben angehören, sondern auch für Liebhaber:innen der Naturkosmetik.

Cateye-Make-up mit Halal-Kosmetik.
FOTO Canva

Zertifizierte Halal-Kosmetik darf auch während des Ramadans genutzt werden.

Alkohol in der Kosmetikindustrie

Natürlich ist Lia Cosmetics nicht die einzige Marke, die auf Alkohole in der Kosmetik verzichtet. Beautylope, Niqa Cosmetics und die Naturkosmetik-Marke PHB Ethical Beauty haben Produkte, die ebenso halal zertifiziert sind. Aber auch abseits der Halal-Kosmetik bieten Marken wie Speick Naturkosmetik mit ihrer PURE-Serie alkoholfreie Beauty.

Doch ein vollständiger Verzicht von Alkohol in Cremes und Co. ist eher selten – auch in der Naturkosmetik. Der Gründe dafür sind einfach wie auch zahlreich: Alkohol wird in der Pflege oftmals als Konservierungsmittel eingesetzt, besitzt eine entfettende Eigenschaft und antibakterielle Wirkung. Deshalb ist es besonders oft bei Gesichtswasser, Sonnenschutzprodukten, Cremes, Deos und Aftershaves enthalten. Doch auch Shampoos und Spülungen sind nicht immer frei davon.

Für Menschen, die zu unreiner Haut neigen, mag die Wirkung von Alkohol in ihrer täglichen Reinigung und Pflege erstmal vielversprechend klingen. Denn solche Produkte entölen die Haut und lassen so unerwünschten Glanz verschwinden. Doch je nach Alkohol und Menge ist der Effekt und die Freude darüber nur von kurzer Dauer. Auf langer Sicht fängt die Haut an, mehr Talg zu produzieren. Zudem kann der enthaltene Alkohol die natürliche Barriere der Haut stören, mit der Folge nicht mehr ausreichend vor freien Radikalen schützen zu können. Bemerkbar macht sich das durch Reizungen, Rötungen sowie gegebenenfalls Hautalterung. Besonders bei empfindlicher Haut treten nicht selten Irritationen auf. Umstritten ist Alkohol außerdem als Penetration Enhancer. Denn in dieser Form hilft der Alkohol anderen Stoffen dabei, tiefer in die Haut einzudringen – sowohl guten als auch schlechten.

Frau cremt sich das Gesicht ein: Kosmetik ohne Alkohol
FOTO Getty Images

Eine Creme frei von Alkohol? Die INCI-Liste gibt Aufschluss darüber.

Alkohol ist nicht gleich Alkohol

Doch nicht alle in der Kosmetik enthaltenen Alkohole sind in der regelmäßigen Anwendung schädlich für die Haut. Expert:innen unterteilen sie in gut und schlecht – schließlich gibt es nicht nur den einen Alkohol.

Definiert werden Alkohole als organische, chemische Verbindungen, bei denen an Kohlenstoffatomen OH-Gruppen (Hydroxygruppen) gebunden sind. OH, steht dabei für Sauerstoff (O) und Wasserstoff (H). Diese Hydroxygruppen machen einfache Kohlenwasserstoffe zu Alkoholen. Bei der Definition von Alkohol ist es unerheblich, ob eine oder mehrere OH-Gruppen in der Verbindung vorkommen, also der Alkohol ein- oder mehrwertig ist.

Der bekannteste Alkohol ist wohl Ethanol, den wir Menschen in verdünnter Form auch trinken. Dieser kann auch als Inhaltsstoff in Produkten zur Pflege und Reinigung sein – oftmals jedoch mit Zusatzstoffen versetzt, somit er nicht mehr zum Verzehr geeignet ist. Der Grund dafür: Der vergällte Alkohol ist steuerfrei und damit günstiger. Erkenntlich ist dieser auf der Inhaltsstoffliste als Alcohol Denat.

Alkohol versteckt auf der INCI-Liste

Meist erkennt man in den Angaben der Inhaltsstoffe Alkohole durch das Suffix „ol“. So besteht zum Beispiel Ethanol aus einer Kohlenstoffkette mit 2 C-Atomen „Ethan“ und der daran hängenden OH-Gruppe „ol“. Ähnlich ist es bei Methanol, Propanol, Butanol, Isopropanol etc. Teilweise verwenden Hersteller jedoch andere Namen in den Angaben zu den kosmetischen Inhaltsstoffen auf der Verpackung, auch bekannt als INCI-Liste.

Bei den Diolen, die in der Beauty immer mehr Anwendung finden, wird das „ol“ mit einem „di“ (=zweimal) davor versehen. Das Gleiche gilt für die Triole. Ein zweiwertiger Alkohol wäre zum Beispiel Propandiol, ein Stoff, der sich in der Kosmetik einen Namen aufgrund seiner feuchtigkeitsspendenden Wirkung macht. Somit ist Alkohol nicht grundsätzlich austrocknend und damit schlecht für die Haut. Es kommt auf die chemische Verbindung an.

Im Gegensatz zu den schlechten Alkoholen versorgen Cremes mit guten Alkoholen Gesicht und Körper mit ausreichend Feuchtigkeit. So wird oftmals auch die natürliche Hautbarriere gestärkt. Glycerin in einer Konzentration von unter 30 Prozent gilt ebenfalls als besonders hilfreich zur Speicherung von Feuchtigkeit bei trockener und alternder Haut. Zudem kann der Zuckeralkohol, das den dreiwertigen Alkoholen angehört, die Elastizität der Haut verbessern und gegebenenfalls Fältchen im Gesicht glätten.

Als schlechte Alkohole gelten unter anderem …

  • Alcohol Denat (vergälltes Ethanol)
  • Ethyl Alcohol, Ethanol
  • SD Alcohol
  • Methanol
  • Propyl Alcohol, Propanol
  • Isopropyl Alcohol, Isopropanol
  • Benzyl Alcohol
  • Phenethyl Alcohol

Als gute Alkohole gelten unter anderem …

  • Cetyl Alcohol
  • Cetearyl Alcohol
  • Stearyl Alcohol
  • Lauryl Alcohol
  • Myristyl Alcohol
  • Palmitoleyl Alcohol
  • Oleyl Alcohol
  • Arachidyl Alcohol
  • Lanolin Alcohol
  • C 14-22 Alcohol
  • Propantriol (Glycerin)

Die Menge macht’s – auch bei Alkohol für die Haut

Doch nicht nur der Alkohol selbst, sondern auch die Menge macht den Unterschied. Bei einem Alkoholgehalt von unter fünf Prozent sollte es in der Regel keine Hautprobleme geben. Allerdings lässt sich nicht immer erkennen, wie viel wovon drin ist. Die Angaben zu den kosmetischen Inhaltsstoffen auf der INCI-Liste werden in der Reihenfolge ihres prozentualen Gewichtsanteils am Gesamtprodukt aufgeführt.

Wer sichergehen möchte, Hautpflege ohne Alkohol zu benutzen, kann entsprechend auf Halal-Kosmetik zurückgreifen. Manche Hersteller machen auf ihren Produkten transparent, wenn diese kein Alkohol enthalten. Jede Menge Infos zu Inhaltsstoffen in der Hautpflege hat auch Blogger Leon, der auf Social Media darüber aufklärt. Ein Besuch auf seinem Account xskincare kann sich also bei weiterem Interesse lohnen.

Judith Püschner
Autorin Judith Püschner

Für Judith beginnt der Tag erst mit einer Tasse Kaffee am Morgen, die sie im Sommer auf ihrem Balkon mitten im Herzen von Köln genießt. Wenn sie nicht gerade an Yoga-Skills wie der Krähe arbeitet oder während einer Wanderung die kleinen Wunder der Natur entdeckt, kommt sie ihrer Passion, dem Schreiben, nach. Besonders begeistern sie die Themen Psychologie, Architektur und alles rund um Zeitgeist.

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