Nachhaltige Baustoffe werden immer beliebter. Wer natürlich, langlebig und umweltschonend bauen möchte, setzt auf Lehm. Und wer gesund sein will, übrigens auch.
Transsilvanien – ein Ort der Märchen und Mythen. Inmitten auf einem Hügel der Fagaraser Berge findet sich hier ein Schloss – gebaut aus Lehm und Holz. Der Sage nach ist dieser Hügel von Feen bewacht. Es trägt den Namen „Tonschloss im Tal der Feen“.
Kleine Türmchen, runde Eingänge und spitze Dächer geben dem Schloss ein magisches Flair. Wer schon immer in sich das Bedürfnis spürte, in das Land der Märchen zu reisen, fühlt sich im Schloss Valea Zânelor angekommen. Initiator und Besitzer ist Razvan Vasile. Er stammt aus Bukarest. In seiner Kindheit hat er viel Zeit in den Fagaraser Bergen verbracht. 2006 kaufte er mit seiner Familie das Grundstück.
„Die Atmosphäre hier ist, aufgrund der Lage in den Bergen, so friedvoll und idyllisch, dass wir uns dazu entschieden haben, ein einzigartiges Märchenhaus zu erschaffen. Dieser Ort hat uns einfach dazu inspiriert. Im Jahr 2014 haben wir begonnen den Grundriss des Gebäudes zu entwerfen und kurz danach begannen auch schon die eigentlichen Bauarbeiten“, erzählt Razvan. Inzwischen hat das Lehmschloss eine Gesamtfläche von 320 Quadratmetern und zehn Zimmer. Mit dem Schloss schaffte er einen Erholungsort, um seinem Großstadtstress zu entfliehen. Jetzt bietet er Menschen aus aller Welt die Gelegenheit, es ihm gleichzutun.
Lehm kennt kein Alter
Dabei ist Lehmbau keine neue Technik, sondern über 9.000 Jahre alt. Lehm galt lange als der Baustoff von kleinen Hütten, der aus Mangel an Alternativen eingesetzt wurde. Etwa ein Drittel aller Menschen wohnt noch heute in Lehmbauten. Inzwischen erlebt Lehm einen Imagewechsel. Nicht nur Razvan Vasile, sondern immer mehr Bauinitiator:innen werden sich über die großartigen Eigenschaften von Lehm bewusst, die moderne Baustoffe teilweise übertreffen. Denn Baustoff sieht also nicht nur gut aus – die zähe Masse kann noch viel mehr für den Menschen tun.
5 Fakten über Lehm mit Aha-Effekt
Lehm Fakt 1 – Lehm lässt sich CO2-frei herstellen
Derzeit ist einer der häufigsten verwendeten Baustoffe Zement. Jedoch ist die Herstellung von Zement für fünf Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich, durch die Verbrennungsprozesse bei der Herstellung. Im Gegensatz zu Zement wird Lehm nicht gebrannt, sondern getrocknet – und so sorgt damit für eine viel bessere Ökobilanz.
Dabei ähneln sich beide Baustoffe. Die große Stärke von Zement gegenüber vielen anderen Baustoffen ist sein Bindungsverhalten. Doch Lehm kann in der richtigen Zusammensetzung locker mithalten. Es besteht aus Sand, Schluff und Ton. Dieses Gemisch ist nahezu in allen Böden weltweit verfügbar. Mit einem entsprechend hohen Tonanteil steht es Zement in nichts nach.
Lehm Fakt 2 – Lehm lässt sich recyceln
Lehm, der als Innenraumputz verwendet wurde, kannst du von der Wand schlagen, mit Wasser wieder aufrühren und anschließend erneut verarbeiten – zum Beispiel als praktischer Backstein. Denn Lehm ist wasserlöslich. Das ist gleichzeitig eine Schwäche im Hinblick auf Außenwände. Inzwischen haben Forschende an verschiedenen Versiegelungslösungen gearbeitet. Diese schützen den Lehm vor Verwitterung – damit kann Lehm auch Wind und Wetter trotzen.
Lehm Fakt 3 – Lehm schafft ein gesundes Raumklima
Dank der im Lehm enthaltenden Tonmineralien werden Schadstoffe gebunden, Gerüche absorbiert und Schimmelbildung vermieden. Außerdem besitzt Lehm die Fähigkeit, Feuchtigkeit auszugleichen. „Mit Lehm bekommt man eine bessere Klimatisierung als mit herkömmlichen Baustoffen“, sagt der Bauingenieur Philipp Wiehle von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. Lehm gelingt es, die Luftfeuchtigkeit fast durchgängig bei 50 Prozent zu halten. Insbesondere für Allergiker:innen ist das eine gute Nachricht, da die Luftfeuchtigkeit in klassischen Betonbauten oft geringer ist. Die trockene Luft wirbelt mehr Staub im Raum herum und Schleimhäute trocknen aus, was die Symptome verschlimmert. Zudem temperiert Lehm – es kühlt im Sommer und wärmt im Winter.
Lehm Fakt 4 – Lehm ist belastbar und sieht gut aus
Lehm kann genauso viel Gewicht tragen wie konventionelles Mauerwerk. Das hat der Baustoff schon lange bewiesen: So sind zum Beispiel die ältesten Hochhäuser der Welt aus Lehm, zu finden im Jemen in der Stadt Shibam. Sie stehen bereits seit 500 Jahren und sind bis zu 30 Meter hoch. Eine weitere „Zeugin“ dieser Stärke: die Große Moschee von Djenné in Mali. Darüber hinaus punktet Lehm auch bei Wärmedämmung, Brand- und Schallschutz.
Neben all diesen Eigenschaften kann Lehm auch dekorativ eingesetzt werden, obwohl er oft als erdig und eintönig gilt. Doch auch hier ist inzwischen viel passiert. Lehm gibt es in vielen Farben, mit Glitzerpigmenten oder Muscheln. Lehm kann also auch dazu dienen, unterschiedliche, auch experimentelle Baustile zu verwirklichen.
Lehm Fakt 5 – Lehm reinigt die Haut
Dreck im Gesicht macht sauber? Sozusagen. Das Auftragen von Lehm auf die Haut reinigt die Haut von Giften und Entzündungsrückständen. Außerdem werden die Durchblutung und der Stoffwechsel aktiviert. Insbesondere der Naturmediziner und Pastor Emanuel Felke verschrieb sich im 18. Jahrhundert der Erforschung des medizinischen Potenzials von Lehm. Bis heute wird die von ihm entwickelte Felke-Kur angeboten. Neben dem Lehmbad gehören zu der Kur eine fleischfreie Diät und Bewegung.
Tatsächlich suhlen sich in der Natur verletzte Tiere oft im Schlamm. Dieses Verhalten legt nahe, dass Lehm vielleicht auch antibakterielle Eigenschaften hat. Dazu gibt es mittlerweile erste Untersuchungen von Wissenschaftler:innen der Arizona State University. Diese fanden, dass blauer Lehm tatsächlich gegen bestimmte Bakterien wirkt – gerade im Hinblick auf Antibiotika-Resistenz ein spannendes Ergebnis, das Hoffnung macht.