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Psychologie

Mit Embodiment fühlen statt denken

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Laut der Embodiment-Forschung hat die Körperhaltung einen direkten Einfluss auf die Psyche. Demnach können schon simple Übungen helfen, die Stimmung zu verbessern – und zwar ganz einfach von zuhause aus.

1988 führte der Psychologe Fritz Strack an der University of Illinois ein Experiment durch, das ihn in Fachkreisen später berühmt machen sollte. Sein sogenanntes „Bleistift-Experiment“ gilt heute als Klassiker in der Kognitionswissenschaft. Der Versuchsaufbau war simpel: Strack ließ 92 Proband:innen Cartoons von Gary Larson anschauen, die sie auf einer Skala von null für „nicht lustig“ bis neun für „sehr lustig“ bewerten sollten. Ein Teil der Proband:innen musste währenddessen einen Bleistift zwischen den Lippen halten, der andere Teil hielt einen Bleistift zwischen den Zähnen. Zwischen den Zähnen gehalten aktiviert der Bleistift die Lachmuskeln, zwischen den Lippen unterdrückt er ein Lachen. Das Ergebnis: Die Proband:innen mit dem Bleistift zwischen den Zähnen fanden die Cartoons im Durchschnitt lustiger als die andere Gruppe. Damit konnte Strack zeigen, dass die Mimik direkte Auswirkungen auf die Stimmung von Menschen hat. Diese Wechselwirkung ist in der Kognitionswissenschaft heute unter dem Begriff Embodiment bekannt.

Embodiment: Was ist das überhaupt?

Umgekehrt hast du dieses Wechselspiel sicher schon oft beobachtet: Wenn Menschen Stress empfinden, runzeln sie die Stirn, wer traurig ist, lässt die Schultern hängen und zieht den Kopf ein, wer sich gut fühlt, läuft aufrecht und streckt die Brust raus – der Körper spiegelt unsere Emotionen wieder. Laut der Embodiment-Forschung können wir uns das zunutze machen und den Spieß einfach umdrehen. Das heißt zum Beispiel, wenn wir traurig sind, können wir den Körper bewusst aufrichten und ein künstliches Lächeln aufsetzen. Diese Körperhaltung signalisiert dem Gehirn, dass wir glücklich sind – die Psyche und der Geist hellen sich auf.

Embodiment bedeutet übersetzt so viel wie Verkörperung und fasst dieses Zusammenspiel zwischen Körper, Psyche und Umwelt zusammen. Die Embodiment-These besagt, dass Körperhaltung und Mimik Einfluss auf die Stimmung von Menschen haben, sprich dass der Körper in ähnlicher Weise wie das Gehirn unsere Psyche beeinflusst. So geht die Embodiment-Forschung davon aus, dass alles, was Menschen erleben nicht nur im Gehirn, sondern auch im Körper gespeichert wird und wir dadurch bestimmte Körperhaltungen mit bestimmten Gefühlen und Emotionen in Verbindung bringen.

Embodiment: Gefühle annehmen, nicht verdrängen

Embodiment kann in stressigen Situationen helfen, die Ruhe zu bewahren und positive Gefühle hervorzurufen. Das heißt aber nicht, dass all unsere Sorgen verschwinden, nur weil wir eine bestimmte Körperhaltung einnehmen. Schließlich runzeln wir unsere Stirn nicht ohne Grund oder lassen einfach so den Kopf hängen. Deshalb bleibt es wichtig, Gefühle zu reflektieren und zu verstehen. Denn Embodiment dient nicht dazu, Gefühle zu verdrängen, sondern in schwierigen Lagen die innere Ruhe zu bewahren und achtsamer durch das Leben zu gehen.

Embodiment: Eine Frau streckt sich auf einem Feld.
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Den Körper strecken und sich groß machen: Laut der Embodiment-Forschung kann das die Stimmung heben.

Embodiment: 7 Übungen hellen die Stimmung auf

Der Embodiment-Ansatz lässt sich mit einfachen Übungen in den Alltag integrieren. Probier in der nächsten Stresssituation doch einmal diese Übungen aus.

1. Tanz dich frei

Bei dieser Übung magst du dir vielleicht komisch vorkommen, aber du wirst sehen, sie hilft. Schüttel einfach mal den ganzen Körper aus, von Kopf bis Fuß, tanze durch die Wohnung, hüpfe auf und ab. Bewegung hilft, Stress abzubauen, Anspannungen zu lösen und die Psyche zu entspannen. Und wenn wir tanzen, signalisieren wir unserem Gehirn, dass wir gerade Spaß haben.

2. Kopf hoch, Brust raus

Diese Übung ist hilfreich, wenn du dich unsicher fühlst und eine Portion Selbstbewusstsein brauchst. Begib dich in einen hüftbreiten Stand, rolle die Schultern nach hinten, strecke die Brust raus und lasse die Arme neben dem Körper hängen. Recke das Kinn ein Stück nach oben und fixiere für ein paar Momente lang einen Punkt in der Ferne, atme dabei tief ein und aus. Diese Übung wird dir das Gefühl verleihen, unbesiegbar zu sein.

3. Bitte Lächeln

Fritz Stracks Experiment hat es gezeigt: Lächeln hebt die Stimmung an. Also zieh für diese Übung einmal die Mundwinkel nach oben und lächle für ein paar Momente vor dich hin. Oder lach einfach laut drauf los und mache so deinem Gehirn bewusst, dass es dir gut geht.

4. Feldenkrais-Übung

Embodiment bedeutet auch, den Körper bewusst wahrzunehmen und zu spüren. Oft merken wir gar nicht, dass wir bestimmte Bewegungen oder Körperhaltungen immer auf die gleiche Weise ausführen. Verschränke für diese Übung einmal deine Arme und schaue, welcher Arm oben liegt. Höchstwahrscheinlich wird dieser immer oben liegen, wenn du diese Körperhaltung einnimmst. Also verschränke die Arme noch einmal, nimm dieses mal bewusst den anderen Arm nach oben, halte kurz inne und spüre die Veränderung. Diese Übung hilft, mit Gewohnheiten zu brechen und sich des eigenen Körpers bewusster zu werden.

5. Kick it

Wer sich schwach und energielos fühlt, kann den Geist mit dieser Übung wieder zum Leben erwecken. Stell dir einfach einen Sandsack vor und box drauf los. Gehe dazu in den Ausfallschritt, balle die Hände zu Fäusten und führe sie vor dein Gesicht. Dann lass abwechselnd deine Fäuste auf den imaginären Sandsack fallen. Wer will, kann auch die Füße dazu nehmen. Diese Übung verleiht Power und Energie.

6. Den ganzen Körper strecken

Diese Bewegung machen viele nach dem Aufstehen ganz automatisch: Einmal den ganzen Körper lang machen, die Arme nach oben strecken, die Wirbelsäule dehnen. Die Übung hilft in stressigen Situationen, denn sie signalisiert dem Gehirn Entspannung.

7. Winken

Winken löst in unserem Gehirn positive Gefühle aus. Denn wenn uns jemand zuwinkt, ist das eine freundliche Geste, jemand sendet uns Grüße und freut sich, uns zu sehen. Stell dich für diese Übung vor den Spiegel und winke dir ein paar mal selbst zu. Es mag albern erscheinen, aber deine Laune wird sich dadurch bessern.

Katrin Brahner
Autorin Katrin Brahner

Katrin hat in Berlin Publizistik studiert und schreibt seit drei Jahren als Redakteurin im Lifestyle-Bereich. Wenn sie nicht gerade die weite Welt bereist, übt Katrin Kopfstand auf ihrer Yogamatte, oder ist auf der Suche nach den neuesten Innovationen und Health-Trends. Deshalb schreibt sie bei kronendach für die Rubriken Travel, Mindfulness und Zeitgeist. Nach Feierabend findet man sie meistens mit einer Matcha Latte in der Hand durch die Straßen Hamburgs spazieren.

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