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Innovation

Innovationen – gemacht aus Kaffeesatz

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Kaffeesatz ist Abfall – im Besten Fall liest man in ihm die Zukunft oder nutzt ihn als Dünger? Weit gefehlt! Kaffeesatz ist ein wertvoller Rohstoff für so gut wie alle Lebenslagen:

Stell Dir vor, Du sitzt an einem Tisch. Über Dir hängt eine schöne Lampe aus demselben Material wie der Tisch und auch die Wand ist damit gekachelt. Du fühlst dich super, denn du bist gerade frisch geduscht – mit Seife aus demselben Material und trägst Kleider aus ebendiesem. Nach der Dusche hast Du deine Gesichtshaut damit gepflegt, sodass du dich nun nicht nur erfrischt, sondern auch strahlend fühlst. Das gibt deinem Selbstbewusstsein einen Boost. Es ist ein perfekter Morgen. Die Uhr an deinem Handgelenk – aus demselben Material – zeigt an, dass du vor der Arbeit noch ein wenig Zeit dafür hast, auch deinem Körper einen Energie-Boost zu gönnen: In deiner Tasse, wieder aus demselben Material, dampft ein verführerisch duftendes Getränk, das die ganze Welt morgens aufweckt: Kaffee.
Das ist kein Traum aus den Stunden vor dem ersten Kaffee und keine Spinnerei wegen Kaffee-Entzug. Wer Kaffee trinkt, hinterlässt Kaffeesatz. Und der ist viel zu schade, um ihn wegzuwerfen. Außerdem: Wenn Kaffeesatz nicht fachgerecht kompostiert wird, gärt er und setzt dabei Methan frei, das um ein Vielfaches schädlicher ist als CO2. Was also tun? Dass Kaffeesatz für viele Pflanzen ein guter Dünger ist, ist allgemein bekannt. Aber der nach Erdöl meistkonsumierte Rohstoff der Welt ist auch ein wertvoller und erstaunlicher Rohstoff für viele andere Dinge.

Lampen aus Kaffeesatz: Schick und praktisch

So kann man zum Beispiel in ausgewählten Cafés in Australien, Deutschland, Spanien, Schweiz, Italien, Niederlande, China und den USA nicht nur hervorragenden Kaffee trinken, sondern unter Lampen aus Kaffee in seinem Duft schwelgen. Der preisgekrönte spanische Produktdesigner Raúl Laurí hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Kaffeesatz zusammen mit natürlichen Bindestoffen zu einer Art Ton verarbeiten lässt. Mit Druck und Hitze presst sein Unternehmen „Decafé“ (spanisch für „aus Kaffee“) „sein“ Material in die gewünschte Form. Danach wird der Rohling abgeschliffen und lackiert: Fertig ist die Designer-Kaffeelampe für Cafés mit dem besonderen Etwas. Die Steh- oder Hängelampen sind schlicht, zeitlos schön und passen zu fast jedem Einrichtungsstil. Außer Lampen stellt Raúl Laurí auch hochwertige Schalen, Kerzenhalter und Dosen im Keramik-Look her.

Uhren und Kaffeebecher aus Kaffeesatz

In eine ähnliche Richtung wie Decafé geht das Berliner Unternehmen Kaffeeform: Kaffeesatz in Kombination mit recycelten Naturfasern bildet den Grundstoff für das Material der Kaffeeform-Cups. Diese Coffee-to-go-Becher sind langlebig, leicht und robust und sparen Müll sowie Methan ein. Dazu sind sie 100% „Made in Germany“ und nachhaltig: Fahrradkuriere transportieren den Kaffeesatz, Berliner Designer entwerfen die Produkte, soziale Werkstätten produzieren und versenden sie. Dabei sind die Kaffeebecher wie die preisgekrönte „Weducer Cup“, die zu 40% aus Kaffeesatz bestehen, nur ein Anfang: Die Coffee Watch – eine schicke Armbanduhr aus Upcycling-Material mit Kaffeesatz ist nur das erste in einer Reihe geplanter, hochwertiger Alltagsprodukte.

Uhr aus Kaffeesatz
FOTO Kaffeeform

Lilienthal Berlin zusammen mit dem Berliner Startup „Kaffeeform“ die weltweit erste Uhr aus recyceltem Kaffee entworfen.

Uhr aus Kaffeesatz. Detailaufnahme
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Kaffeesatz aus Berliner Cafés und Röstereien formen mit pflanzlichen Komponenten zusammen die „Coffee Watch“.

So macht es auch Josh Renouf. Mit seinem Label Joy Resolve verkauft er High-End Barista Accessoires. Da bei der Nutzung seiner Produkte enorme Mengen an Kaffeesatz anfallen, tat er sich mit dem Plastik-Recyclingunternehmen Smile Plastics zusammen, et voilá: Das Ergebnis sind zeitlos schöne Kaffeetische aus Kaffeesatz, die ein wenig aussehen, als seien sie aus Granit. Das besonders Gute an all diesen Produkten: Sie riechen wunderbar.

Mit Geruch hat auch ein anderes, noch erstaunlicheres Produkt mit Kaffeesatz zu tun: Schon seit mehr als zehn Jahren forscht das taiwanesische Unternehmen Singtex an schnelltrocknenden Hightech-Garnen aus recycelten PET-Flaschen und Kaffeesatz. Dazu werden PET-Granulat und Kaffeesatz in einem patentierten Verfahren zu Pellets geformt, aus dem man dann Fäden ziehen kann. „Der Kaffeesatz im Gewebe nimmt den Körpergeruch auf und transportiert die Feuchtigkeit zur Gewebeoberfläche. So trocknen die Sachen viel schneller als Baumwolle“, erklärt Julia Lundmark, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Björn Borg, einem der Kunden von Singtex. Das funktioniert so gut, dass sich die geruchneutralisierenden Wunderfäden auch in Kleidung von Puma, Asics, Schöffel, Timberland und anderen wiederfinden. Vielleicht hast du auch schon Kaffeesatz im Kleiderschrank?

Kaffeesatz: Riecht gut – tut gut

Selbst viele Menschen, die nicht gern Kaffee trinken, lieben das Aroma von frisch gebrühtem Kaffee. Es verbreitet Gemütlichkeit, gute Stimmung und weckt die Lebensgeister. Aber wusstest Du, dass Kaffee nicht nur gut riecht, sondern auch gut für die Haut ist?

Kaffee-Öl regt die Collagensynthese an – Collagen ist der Stoff, der unsere Haut regenerationsfähig hält. Dank Antioxidantien und Palmitinsäure schützt es die Haut vor schädlichen Umwelteinflüssen. Kaffeeöl spendet der Haut intensive Feuchtigkeit und beinhaltet darüber hinaus entzündungshemmende Komponenten, die gut gegen ungewollte Schwellungen und Rötungen wirken. Kaffeeduft ist gut für die Seele, Kaffee trinken ist gut fürs Wachwerden und Kaffee-Öl macht müde Haut von innen heraus fit.

Kaffeesatz als Gesichtspeeling
FOTO Getty Images

Mit Kaffeesatz-Peeling entfernst du nicht nur tote Hautschuppen: Das enthaltene Koffein regt die Durchblutung an und lässt die Haut jünger aussehen.

Auf diesen Trichter kamen auch Oliver Kremer und Maximilian Munz, als sie – damals noch Unternehmensberater – gemeinsam einige Projekte zu nachhaltiger Entwicklung betreuten. Heute sind die beiden erfolgreiche Unternehmer in Sachen Kaffeesatz: Sie haben gemeinsam die Firma C!RCLY gegründet, die zertifizierte Naturkosmetik aus Kaffeesatz „Made in Germany“ herstellt. Dazu kam es, wie so oft im Leben, ganz unerwartet. Maximilian erzählt: „Als wahre Kaffeejunkies kamen wir beim täglichen Leeren des Kaffeeautomaten darauf, wie schade es ist, dass so viele wertvolle Stoffe auf der Deponie landen. Also begannen wir, uns mehr mit dem Thema Upcycling zu beschäftigen. Nach einigen Monaten des Forschens und Entwickelns haben wir dann beschlossen, die Naturkosmetikmarke C!RCLY zu gründen.
Wir verwenden wiedergewonnenen Kaffeesatz, woraus wertvolles Kaffee-Öl gepresst wird. Dazu arbeiten wir mit Röstereien in Süddeutschland zusammen. Auch verwenden wir Obstschalen in Bio-Qualität, die einen guten Effekt für die Haut haben.“ Und wer bei Naturkosmetik nun an eine Firma denkt, die zwar vielleicht von zwei Männern gegründet wurde und geführt wird, sich ansonsten aber nur an Frauen richtet, liegt weit daneben: „Da wir beide eher zu sensibler Haut neigen, war Naturkosmetik schon seit jeher interessant für uns. Natürlich benutzen wir unsere Produkte selbst! Das Gesichtsserum ist gerade bei trockener Luft eine Wohltat für die Haut und kann auch perfekt als Bartöl verwendet werden“, so Maximilian.
Was C!RCLY in München, ist Coffeecycle in Hamburg: Das Start Up von Liam Metzen und Leonardt Mücke entstand bei deren Arbeit als Baristas: „In jedem Café fallen durchschnittlich pro Tag zwei Kilogramm Kaffeesatz nur von den verkauften Espressi an“, so die Jungunternehmer. „Auf ein Jahr gerechnet entspricht das in ganz Deutschland dem Gewicht von 100 Containerschiffen“. Kurzerhand gründeten die beiden umtriebigen Schüler Coffeecycle „mal eben“ in den Sommerferien. Inzwischen haben die beiden Abitur und Coffeecycle ist ein preisgekröntes Unternehmen. Der Kaffeesatz wird per Fahrrad in den Hamburger Cafés eingesammelt. Daraus entstehen dann zusammen mit Sheabutter, Olivenöl, Kokosöl und Früchten duftende und belebende Seifen. Nachhaltigkeit ist Liam und Leo sehr wichtig: Die Verpackungen sind FSC-zertifiziert und Kunden können auch entscheiden, die Seifen ohne Verpackung zu nehmen.
Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und CO2-Vermeidung treiben auch die Macher des spanischen Unternehmens Cafuego an: Sie sammeln für den Müll bestimmten Kaffeesatz in Unternehmen, Cafés und auch Haushalten ein und pressen daraus Pellets und Brickets. Die beim Heizen entstandene Asche sammeln sie ebenfalls wieder ein: Sie ist reich an Phosphor und anderen Nährstoffen, die als Grundlage für organisch-mineralische Düngemittel verwendet werden können.

Was Du zuhause mit Kaffeesatz machen kannst: 3 Tipps

Dass Kaffeesatz ein guter Dünger ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Auch dass man mit Kaffeesatz rund um Pflanzen oder Sitzplätze Schnecken und lästige Insekten vertreiben kann, ist allgemein bekannt. Hier einige Tipps, die du vielleicht noch nicht kanntest:

1. Mit Kaffeesatz Kaffeetisch reparieren

Kaffeesatz kann kleine Kratzer in dunklem Holz „wegzaubern“: Einfach feuchten Kaffeesatz mit einem kleinen Schwamm auf den Kratzer auftragen und trocknen lassen. Die feste Substanz füllt den Kratzer aus und das Kaffee-Öl versiegelt das Ganze.

2. Kaffeesatz statt Lavendelsäckchen

Fülle den Kaffeesatz in kleine Stoffsäckchen und verteile ihn in Schränken oder Räumen, wo du unangenehme Gerüche befürchtest. Der Stickstoff im Kaffee kann der Luft Schwefelgase entziehen, wenn er sich mit Kohlenstoff verbindet.
Tipp im Tipp: Funktioniert auch im Kühlschrank mit kleinen Schalen voller Kaffeesatz.

3. Putzen mit Kaffeesatz

Was als Peeling für die Haut funktioniert, geht auch mit anderen „Oberflächen“: Mit Kaffeesatz kannst Du sehr gut Geschirr, das Spülbecken oder die Arbeitsfläche scheuern, auch im Bad hilft Kaffeesatz weiter. Die Körnige Struktur löst den Schmutz und der Kaffee an sich hat antibakterielle und antivirale Eigenschaften.

Vera Neeten
Autorin Vera Neeten

Vera schreibt für uns remote vom Tor zu Patagonien/Chile aus. Dort ist sie als echter Outdoor-Fan genau richtig: Ob im Urwald, auf Lavafeldern oder am Pazifikstrand, Vera hält immer Ausschau nach kleinen Naturschätzen, erstaunlichen Details und kreativen Ideen. Kein Wunder, dass sie bei uns am liebsten über Travel, Nachhaltigkeit und spannende Menschen schreibt.

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