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Innovation

Windenergie 2.0: von Flugdrachen, künstlichen Bäumen und schwingenden Pfosten

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Windenergie zählt zu den wichtigsten Quellen erneuerbarer Energie und spielt eine Schlüsselrolle in der Energiewende. Forschende arbeiten schon heute an Ideen für die Windenergieanlagen von morgen.

Für die Energiewende und den Klimaschutz ist es unabdingbar, Windenergie zu nutzen. Schon heute hat die Windenergie an Land und Offshore einen Anteil von 24,1 Prozent an der deutschen Stromversorgung. Bis zum Jahr 2035 soll der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern sogar auf bis zu 60 % gesteigert werden, Windenergie soll hierbei den größten Anteil ausmachen.

Das Problem: Windräder brauchen Platz. Flächen an Land zu finden ist oft ein schwieriger und langwieriger Prozess. Denn nur wenige Flächen kommen dafür in Frage, das macht den Ausbau kompliziert. Und wie jede bauliche Maßnahme, stellt das Errichten von Windparks einen Eingriff in die Natur dar. Der Bau von Offshore-Windenergieanlagen ist dem gegenüber sogar noch teurer, die Planung noch komplexer.

Dabei muss es doch auch noch andere Möglichkeiten geben, den Wind einzufangen – genau das dachten sich auch Ingenieur:innen und Wissenschaftler:innen auf der ganzen Welt und tüfteln bereits an Alternativen. Dabei haben sie schon einige vielversprechende Ideen hervorgebracht. So könnten die Windenergieanlagen von morgen aussehen:

Windenergie aus einem künstlichen Baum

Eine Windenergieanlage, die sich optisch unauffällig in die Umwelt eingliedert und keine Gefahr für die Tierwelt darstellt – das war die Vision des französischen Erfinders Jérôme Michaud-Larivière. Er gründete das Unternehmen New World Wind, das die sogenannten Wind Trees vertreibt. Das sind Windenergieanlagen in Form von Bäumen. Sie bestehen aus einem stählernen, weißen Stamm und den Aeroleafs, das sind die künstlichen Blätter der Bäume. Dank dieser Blätter kann die Anlage Strom produzieren. Sie sind mit Generatoren ausgestattet, die schon ab einer Windgeschwindigkeit von weniger als zwei Metern pro Sekunde Energie erzeugen.

Der typische Wind Tree ist rund zehn Meter hoch, 3,6 Tonnen schwer und mit 36 Aeroleafs ausgestattet. Mit einem Preis von 50.000 Euro sind die Wind Trees für Privatpersonen allerdings eher ungeeignet. Dafür sind die Windenergieanlagen schon in einigen Städten zu finden. Unter anderem auf der Place de la Concorde in Paris. Ein kleineres Modell der Anlage ist der Wind Bush. Er ist für 21.500 Euro erhältlich und soll laut New World Wind rund 83 Prozent des Energiebedarfs eines durchschnittlichen französischen Haushalts decken.

Auch wenn diese Anlagen im Vergleich zu Windrädern nur wenig Strom erzeugen, können sie in Zukunft den Ausbau von erneuerbaren Energien zumindest unterstützen. Denn sie können überall dort Energie erzeugen, wo Windräder keinen Platz haben oder nicht ins Stadtbild integrierbar sind.

Windenergie aus fliegenden Drachen

Je höher man steigt, desto stärker weht der Wind. Genau hier liegt das größte Problem von herkömmlichen Windenergieanlagen: Sie reichen nur rund 100 Meter in die Höhe. Das Hamburger Unternehmen SkySails Power könnte nun aber einen Weg gefunden, das ganze Potenzial der Windkraft auszuschöpfen – und zwar mit fliegenden Windenergieanlagen.

Dazu setzt das Unternehmen Flugdrachen ein, die angetrieben vom Wind bis zu 400 Meter in die Höhe steigen. Dabei ist der Luftdrache mit einer Leine an einem Generator am Boden befestigt. Über die Zugkraft zieht der Drache an der Leine und betreibt so den Generator, der Strom erzeugt.

Auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean wurde im Januar diesen Jahres eine Windenergieanlage von SkySails Power im Rahmen eines Pilotprojekts aufgestellt. Das Pilotprojekt soll nun nachweisen, dass die Flugdrachen zur kommerziellen Nutzung geeignet sind.

Windenergie aus schwingenden Pfosten

Auch das spanische Start-Up Vortex Bladeless hat eine Anlage entwickelt, die Energie aus Windkraft erzeugt, ohne dabei für Tiere eine Gefahr darzustellen. Dabei handelt es sich um mehrere Meter hohe Pfosten, die im Wind hin und her schwingen: Trifft der Wind auf die Anlage, drückt er diese nach hinten, bis die Spannungsenergie des Pfostens stärker als der Winddruck ist, woraufhin der Pfosten wieder zurückschnellt. Dadurch wird im Inneren des Pfostens ein Generator bewegt, der eine Wechselwirkung zwischen Spulen und Magnetfeldern hervorruft und so Strom durch elektromagnetische Induktion erzeugt.

Diese Windkraftanlagen funktionieren also ganz ohne Rotorblätter. Außerdem arbeiten die Anlagen nahezu geräuschlos. So könnten sie auf dem Land und in der Stadt den Ausbau von erneuerbaren Energien vorantreiben, ohne dabei Anwohner:innen oder Tiere zu stören.

Bislang sind die Windenergieanlagen von Vortex Bladeless noch nicht frei im Handel verkäuflich. In Planung war zunächst ein zwölf Meter hoher Prototyp, der vier Kilowatt Stunden Strom produzieren kann. Bislang hat das Unternehmen aber erst eine 2,75 Meter hohe Pilotanlage konstruiert. Ob die Windanlagen von Vortex Bladeless eine tragende Rolle in der Energiewende spielen werden, wird sich also noch zeigen.

Windenergie aus Helix-Windturbinen

Der Luft- und Raumfahrtingenieur Ulrich Papenburg hat eine Windkraftanlage entwickelt, die sich auf den Dächern von Häusern und Gebäuden installieren lässt. Das soll es auch Privathaushalten ermöglichen, eigenen Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Die Anlage trägt den Namen „Wind of change“, dabei handelt es sich um eine Turbine mit spiralförmigem Aufbau. In der Mitte der Turbine befindet sich eine Welle aus Edelstahl, zwei Hauptflügel laufen gegeneinander und können komplett vom Wind durchströmt werden. Strömt der Wind durch die Schaufel treibt er ein Gegenrad an und erzeugt so Energie.

Die Turbine kann selbst bei niedrigen Windgeschwindigkeiten Strom erzeugen. Dank des leichten Gewichts von gerade einmal 98 Kilogramm lässt sie sich auf jedem Hausdach montieren, außerdem arbeitet sie geräuscharm. Vier Jahre lang hat Ulrich Papenberg an seiner Erfindung getüftelt, mittlerweile sind schon sieben seiner Anlagen in Betrieb. Auch er selbst hat eine Anlage schon auf seinem Hausdach platziert. 200 Tage im Jahr kann sie für ihn Strom produzieren. Damit könne er 20 bis 30 Prozent seiner Stromkosten sparen, sagt er. Für rund 8.000 kann die Anlage gekauft werden.

Katrin Brahner
Autorin Katrin Brahner

Wenn Katrin nicht gerade die weite Welt bereist, übt sie Kopfstand auf ihrer Yogamatte, oder spaziert mit einer Matcha-Latte durch die Straßen Hamburgs. Immer wenn sie die Zeit findet, stattet sie auch ihrer alten Heimatstadt Berlin einen Besuch ab. Als Redakteurin hat sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und schreibt heute am liebsten über Travel-, Mindfulness- oder Zeitgeist-Themen.

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