© Prentice Colbert Inc.

Kunst

93-jähriger Pionier: Tim Prentice und die Kinetische Kunst

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In den letzten neunzig Jahren kommt der Künstler nur einem Bruchteil seiner Passion nach, obwohl er bereits seit seiner Kindheit eine Faszination für bewegende Kunstwerke besitzt – im doppeldeutigen Sinne. Zuletzt zeigte er seine Werke letztes Jahr in seiner Ausstellung „After the Mobile“ im Aldrich Museum in Connecticut.

Prentice und seine Inspiration zur kinetischen Kunst

Es ist nicht die Kunst, das Werk in Bewegung zu versetzen, sondern damit die Menschen im Inneren zu bewegen. Ein fester Grundsatz im Handwerk von Prentice, der für ihn selbst zum Auslöser seiner Kunstkarriere wird – auch wenn es ihm zu Anfang nicht bewusst ist. In Teenager-Jahren inspirierten Prentice die sogenannten „Mobiles“: Damals waren das Skulpturen, die sich dank eingebauter Motoren bewegten – geschaffen von Prentice’s Inspirationsquelle Alexander Calders. Später folgten Skulpturen, die sich durch Bewegung natürliche Kräfte wie Luftströme zu bewegten. Eine magische Mischung aus Physik und Ästhetik. Heute gilt kinetische Kunst als Synonym für „Mobiles“.

Yellow zingers, Katonah
© Prentice Colbert Inc.

Yellow zingers, Katonah

The Vine, Tim Prentice
© Prentice Colbert Inc.

The Vine, Tim Prentice

Kinetisch definiert „bewegende“ Kunst neu

Doch was macht kinetische Kunst überhaupt aus? Dabei handelt es sich um eine künstlerische Ausdrucksform, in der Bewegung zu Veränderung des Kunstobjektes führt. Dafür kann sich das Werk, oftmals eine Skulptur, selbst bewegen, muss sie aber nicht. Es reicht auch die Illusion der Bewegung, auch bekannt unter Op-Art, weshalb diese zwei Stile oftmals inhaltlich zusammengebracht werden. Während der Begriff „kinetisch“ vom altgriechischen Wort „kínēsis“ (Bewegung) abstammt, erlebt diese Form der Kunst erst Mitte des 20. Jahrhunderts seine Blütezeit. Zuvor machen Künstler wie Naum Gabo und Laszlo Moholy-Nagy die Anfänge, als sie elektrische Apparate in ihren Skulpturen integrieren. Kinetic Art geht mit der Zeit: Heute nutzen Künstler:innen wie Studio Drift Computer zur Steuerung ihrer Objekte.

Kinetische Skulpturen und das kunstvolle Spiel des Windes

Prentice nutzt weder Computer noch Motoren, er lässt den Wind mit seinen Skulpturen spielen. Das Ergebnis: tanzende Kunst, die sich im Takt der Natur bewegt. Wie das funktioniert? Durch Konstruktionen mit subtilen Draht-Mechanismen und sehr leichten Metallebenen, die für jeden Windstoß empfänglich sind. Erst durch den Antrieb der Natur wird aus einer Skulptur bewegende Kunst, die in ihrem Fließen zu einer Poesie aus Materie und Energie verschmilzt. Sein Lieblingsmaterial Aluminium findet sich in vielen seiner Kunstwerke wieder – ob nun als schwebender Teppich, gemacht aus den glänzenden Alu-Quadraten, oder einer Reihe rotierender Alu-Platten an der Wand.

Diese tanzenden Kunstwerke stellt er auch bei seiner Ausstellung „After the Mobile“ vor, die in ihrem Namen eine Anlehnung an Calders geprägten Kunstbegriff sein soll. Die kinetischen Skulpturen erschafft der amerikanische Künstler in seinem Atelier, einem ehemaligen Bauernhof, in der Nähe von Cornwall im Nordwesten von Connecticut. An diesem Ort lebt Tim Prentice bereits seit einem halben Jahrhundert. Ein paar Werke lassen sich in der angrenzenden Scheune des Ateliers bestaunen; die meisten kinetischen Skulpturen befinden sich jedoch im Freien nebenan. Schließlich ist der Wind Teil der Kunst; in der Outdoor-Galerie setzt diese Kraft der Natur die Skulpturen erst in Szene.

Tim Prentice während seiner Arbeit an kinetischer Kunst
© Getty Images

Installation kinetischer Skulptur, Tim Prentice, 2012

Light Carpet, Tim Prentice
© Prentice Colbert Inc.

Light Carpet, Tim Prentice

Lebensweg eines Künstlers

Prentice kommt schon in frühster Kindheit in Berührung mit künstlerischem Handwerk – allerdings auf eine andere Art als bei kinetischer Kunst. Sein Vater arbeitet als Architekt, ein Beruf, dem sich Prentice ebenfalls zunächst annimmt. Auch wenn er zu der Zeit bereits von Calders Kunstwerken fasziniert ist, bleibt er seinem väterlichen Vorbild treu und leitet ein Architekturbüro in New York. Später überträgt er die dort erlangten Kenntnisse auf seine Kunst, die von Wissen über Form, Gleichgewicht, Struktur und Material geprägt sind.

Doch mit dem Älterwerden wird ihm bewusst, dass seine Interessen andere sind als die seines Vaters. Eine Erkenntnis, die ihm durch George Rickey kommt, ebenfalls Bildhauer mit künstlerischer Passion zur Kinetik. Für Prentice beweist Rickey, welche Möglichkeiten sich in Sachen kinetischer Kunst noch ausschöpfen lassen. Und noch ein Künstler prägt den mittlerweile nicht mehr ganz so jungen Bildhauer: der Maler Josef Albers, bei dem Prentice in Yale studiert – gleich zweimal. Der Grund: Albers Kurs „The Interaction of Colour“ begeistert ihn und formt ihn in seiner künstlerischen Entwicklung. Sein Studium bei Albers verhilft ihm im Jahr 1999 auch zu einem seiner größten Aufträge, die Gestaltung des Hauptsitzes der Albers Foundation in Bethany.

All die Berührungspunkte mit den großen Künstlern seiner Zeit bewegen ihn und am Ende auch seine Kunstwerke. Und nicht nur ihn: Kinetische Kunst fasziniert jede Menge Menschen bis heute, eröffnet in der Kunst einen Gegenpol zum Stillleben, bringt eine neue Perspektive ein – oder besser gesagt ganz viele. Vielleicht sind es auch die unterschiedlichen ineinander fließenden Blickwinkel auf ein Kunstwerk, die einen Raum für eine Vielzahl von Interpretationen aufmachen und die Betrachtenden in einen Bann ziehen.

Judith Püschner
Autorin Judith Püschner

Für Judith beginnt der Tag erst mit einer Tasse Kaffee am Morgen, die sie im Sommer auf ihrem Balkon mitten im Herzen von Köln genießt. Wenn sie nicht gerade an Yoga-Skills wie der Krähe arbeitet oder während einer Wanderung die kleinen Wunder der Natur entdeckt, kommt sie ihrer Passion, dem Schreiben, nach. Besonders begeistern sie die Themen Psychologie, Architektur und alles rund um Zeitgeist.

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