Sie erinnern an Graffitis und dennoch scheinen die grafischen Linien wie von einem Computer gezogen: Das Berliner Künstlerkollektiv Tape That schafft aus Klebeband abstrakte Werke, die sich kunstvoll in den urbanen Raum einfügen. Als Pioniere in der Kunstszene haben sie schon auf der ganzen Welt gearbeitet und den Aufstieg von Tape Art maßgeblich geprägt. Wir haben mit dem Künstlerkollektiv gesprochen – über spektakuläre und aktuelle Projekte und die Tape Art Convention.
Was ist Tape Art?
Bereits über 40 Länder haben Nicolas und seine Tape-That-Kollegen bereist, dort Tape Art kreiert und damit diese Form der Urban Art bekannter gemacht. Zu ihren Kunden zählen Sportswear-Giganten wie Nike und Adidas, aber auch mehrere Auto- und Beauty-Hersteller. Doch was ist Tape Art überhaupt?
Was früher lediglich als Hilfsmittel für gemalte oder gesprayte Kunstwerke genutzt wurde, hat sich vor allem in den letzten fünf Jahren als eigenes Stilmittel etabliert: Klebeband, das in Form von Tape Art zum Ausdrucksmittel wird. Im Gegensatz zu Acrylgemälden muss die temporäre Klebeband Kunst nicht auf Leinwände beschränkt sein. In Form eines Murals findet man Tape Art oftmals an Wänden, sie kann aber auch als Designelement eines alltäglichen Gegenstands fungieren oder zu einer raumgreifenden Installation werden. Egal worauf geklebt wird, der Untergrund ist Teil der Gestaltung.
Doch was macht Tape Art so einzigartig? Für Nicolas besitzt sie einen „digitalen Touch“, den er als Kommunikationsdesigner von Vektor-Programmen kennt. „Klebeband hat einen ganz grafischen Grundcharakter. Bei keinem anderen Medium ist es so leicht, lange, gerade Linien zu ziehen, die so sauber sind.“
Top 3 Tape That Installationen und Murals
2011 gründet sich Tape That, ein Jahr später wird Nicolas Teil des Kollektivs, das heute aus insgesamt sechs Künstlern besteht. Zu Gründungszeit steckt Tape Art noch in den Kinderschuhen, selbst die sonst allwissende Internetsuchmaschine Google findet keine Ergebnisse, wie der in Köln wohnenden Künstler im Interview erzählt. Für das Kollektiv kein Hindernis, sie folgen ihrer Idee, „aus einem Alltagsgegenstand etwas Künstlerisches zu schaffen“. Das sind die Top 3 Tape That Installationen und Murals:
1. „Artcaden“ in Berlin
2017 erreicht das Künstlerkollektiv mit dem „Artcaden“-Projekt einen Meilenstein. Sie bekommen den Auftrag, einen 300 Quadratmeter großen Raum einer leerstehenden Mall in Berlin neu zu gestalten. Dafür hat das Kollektiv den gesamten Raum weiß gestrichen und anschließend darauf Klebeband in Kunstwerke verwandelt. Das Ergebnis: vier große „Tarnecken“; sprich vier verschiedene Designs, die dreidimensional von den Wänden auf Boden und Decke übergehen. Inbegriffen in den Installationen sind Möbel, die sich dem jeweiligen Tape-Stil annehmen. Damals sind Besuchende dazu eingeladen, Teil des Kunstwerkes zu werden. Wie? In dem sie die von Tape That entworfene Kleidung im Stil vom jeweiligen Kunstwerk tragen.
2. Transurban in Nordrhein-Westfalen
2017 wird die Kunst von Tape That Teil von Transurban, ein regionales Kooperationsprojekt in Nordrhein-Westfalen. Transurban arbeitet mit Künstler:innen zusammen, bietet ihnen eine temporäre Plattform für ihre Werke. Das Ziel dahinter: die urbane Kunstszene in NRW zu stärken und zu erhalten. Im Rahmen dieser Kooperation wird der Bunker „k101“ in Köln für Tape That zur Leinwand ihrer Klebebänder.
3. „Tape Art Around The World“ in Kuba
2019 startet Tape That das Jahr mit einem „Tape Art Around The World“-Projekt, diesmal in Kuba. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft in Havanna und der Fabrica De Arte Cubano beklebt das Kollektiv die Fassaden dreier Container, die zur Fabrik gehören. Es ist eine „Kombination aus gewebter ‚TapeThat‘-Typografie und farbenfroher abstrakter 3D-Linienkunst“ wie es auf seiner Website erklärt. Doch nicht nur das Äußere der Fabrica De Arte Cubano bekommt einen neuen Tape-„Anstrich“, auch im Inneren weichen rissige Wände bunten Artworks.
Tape Art Convention
Um die Tape Art Bewegung zu stärken, veranstaltet das Kollektiv seit 2016 immer wieder die Tape Art Convention, die laut Tape That derzeit die größte internationale Ausstellung dieser Art sein soll.
Wie klein die Szene noch vor ein paar Jahren war, zeigt sich im Gespräch: „2016 haben wir die erste Tape Art Convention veranstaltet. Damals haben wir über Social Media gesucht und gerade so mit Ach und Krach ungefähr 15 Künstler:innen gefunden.“ Ein Zustand, der sich schnell ändert, denn Tape Art ist am Puls der Zeit. Sechs Jahre später findet die 3. Tape Art Convention in einer 1000-Quadratmeter-Halle statt, hunderte Künstler:innen sind dabei und am Tag tausende Besucher:innen vor Ort. 2022 sind auch diese zwei Künstler:innen bei der Convention am Start:
Berliner Künstlerin Fabifa
Fabifa taped vor allem Portraits, oftmals bunt, laut und nahbar. Die Künstlerin stammt ursprünglich aus Belarus, ist aber vor einiger Zeit nach Berlin gezogen. Auch eine Neuinterpretation der Mona Lisa gehört zu ihren Werken, in der Caption verrät sie: „Mona Lisa ist für viele nur ein mystisches Bild einer Schönheit, die von einer berühmten Künstlerin aufgenommen wurde. Ich wollte sie von der Objektivität befreien und uns daran erinnern, dass Mona Lisa eine echte Person war und ihr die Freiheiten geben, die ich jetzt habe, wenn ich im modernen Berlin lebe.“ Die Berliner Djane Stella Bossi hat dieses Werk bereits hautnah erlebt und es sich als Outfit von der Künstlerin direkt auf den Körper kleben lassen.
Mailänder Künstler Carlo Galli
Jede:r Kunstschaffende hat seine eigene Handschrift, so auch der Mailänder Künstler Carlo Galli. Sein Instagram-Profil beinhaltet viele verschiedene Kunstwerke, aus verschiedenen Materialien gefertigt, darunter auch Tape. Auch wenn Galli seiner Kreativität immer wieder neue Formen verleiht, finden sich immer wieder gleiche Muster in seinen Artworks. Zum Beispiel das Verzerren und Abstrahieren von Gesichtern.
Tape Art live erleben und kleben
Wenn du so ein Werk von Tape That einmal live sehen möchtest, kannst du bis Mitte Februar 2024 im Hallmackenreuther am Zülpicher Platz in Köln vorbeischauen. Dort gibt es im ersten Stockwerk auch eine Rauminstallation. Vom 12. bis 14. April 2024 wird Tape That auch nochmal bei der „The Unconventional Art Fair Düsseldorf“ ausstellen.
Wer selbst einmal Lust hat, zu tapen, kann an den Workshops an der Tape Art Academy in Berlin teilnehmen; die Kurse finden einmal im Monat statt. Mehr dazu findest du hier.
Judith liebt das Leben mitten in der Metropole Köln. Ihr Gespür für spannende Storys führt sie regelmäßig zu außergewöhnlichen Themen mit aktuellem Zeitgeist. Schon seit ihrer Kindheit folgt sie ihrer Passion, dem Schreiben; seit zwei Jahren nun auch als Redakteurin. Besonders begeistern sie die Themen Psychologie, DIY und Yoga. Bereiche, über die sie als Online-Redakteurin schreibt und die sie gerne ihrer Freizeit ausübt. Ein Gespür für ästhetische Einrichtung besitzt sie bereits seit ihrem Studium im Bereich Design. Seither entdeckt sie immer wieder neue Design-Innovationen und einzigartige Architekturen, über die sie auf kronendach berichtet.