Die portugiesische Künstlerin Vanessa Barragão lässt das verstaubte Textilkunst-Image unter ihren abstrakten Teppich-Kreationen verschwinden und fertigt Kunst im legendären Stil des weltbekannten „Museum of Modern Art“ (MoMa) in New York.
Eine Textilkünstlerin inspiriert von Korallenriffen der Karibik
Es ist eine Reise als Kind nach Jamaika, die sie noch heute in ihrem Künstlerdasein bewegt. Vanessa Barragão schafft seit ein paar Jahren moderne Textilkunst, die an die Korallen der Karibik erinnern, bunt und eindrucksvoll. Auch wenn sie selbst an einer Küste im Süden Portugals groß geworden ist, hat sie erstmals auf dem Karibik-Trip Korallen in ihrer vollen Pracht gesehen. „All die Farben und das Leben dort waren das Beeindruckendste und Schönste, was ich je gesehen habe, denn in meinem Land ist die Unterwasserwelt ganz anders“, erklärt sie auf ihrer Website.
Vanessa entscheidet sich mit Textilkunst für Slow Art statt Fast Fashion
Schon vor der Einschulung entdeckt Vanessa ihre Liebe zum künstlerischen Handwerk, findet in der Schulzeit ihre Passion fürs Zeichnen und studiert als junge Frau schließlich Modedesign in Lissabon. Eine wichtige Phase für die Portugiesin. Und doch kehrt sie der Branche den Rücken. Der Grund: Sie will weg vom Fast-Fashion-Mindset. Stattdessen möchte sie langsam arbeiten, sich mit den Textilien und dem traditionellen Kunsthandwerk ausgiebig befassen und damit ihren Designs Raum und Zeit geben. Slow Work soll die volle Entfaltung bringen – auch was die Botschaft betrifft. Vanessa geht es darum, Statements zu setzen.
Dafür gründet sie 2020 ihr eigenes Studio in ihrer Heimat Albufeira. Hier kann sie sich nun voll und ganz auf ihre eigene Textilkunst konzentrieren, durch welche die Bilder in ihrem Kopf eine reale Form bekommen; manchmal als Teppich für Boden oder Wand, manchmal als abstrakte Textil-Skulptur, die im Raum schwebt. Ihre organischen Designs sind einzigartig, besitzen Dreidimensionalität voller verspielter Details, welche die Schönheit von Korallenriffen aufgreifen. Besuchende ihrer Ausstellungen erleben eine neue Art der Textilkunst; tauchen, wie auch bei einem Unterwasser-Ausflug im karibischen Ozean, in eine faszinierende Welt ein. Eine Welt, die alle Blicke auf sich zieht.
Die Arbeit einer Textilkünstlerin am Puls der Zeit
Was Vanessa während ihrer Arbeit als Modedesignerin gelernt hat, bringt sie zum Umdenken. Statt neu zu produzieren, nutzt sie für ihre Kunst übriggebliebene Materialien und Restbestände portugiesischer Textilfabriken. Diese kombiniert sie mit uralten Textilpraktiken wie Klöppeln, Häkeln, Filzen, Weben, Sticken und Makramee. Damit möchte sie unter anderem traditionelle Handwerkskunst lebendig halten, „die immer mehr verloren geht“, wie sie in einem Interview zugibt. Weiter erklärt sie: „Hier in Portugal hat fast jeder mit Korbflechttechniken gearbeitet. Die Techniken, die ich in der Textilbranche verwende, werden jedoch nicht mehr von vielen Menschen angewandt, weil sie sehr zeitaufwändig sind.“
Für Vanessa ist die Zeit kein Hindernis, schließlich möchte sie jedes Textil und Material langsam verarbeiten, sich alle Zeit der Welt nehmen können, um ihrer Textilkunst Größe und Entfaltung zu schenken. Hingabe, Leidenschaft und vor allem Spontanität sind treibende Kräfte im organischen Entstehungsprozess mit unvorhersehbarem Ergebnis. Die Textilkunst entwickelt sich zusammen mit der Stimmung der Kreatorin, die jeden Tag variiert. Vielleicht wirken deshalb Vanessas Teppiche und Textil-Skulpturen am Ende so vielfältig. Mit ihrer Arbeitsweise möchte die junge Frau ihrem „Publikum (…) zeigen, wie wichtig Recycling ist und dass wir manchmal kein Geld brauchen, um eine Idee in unserem Kopf zu verwirklichen. Wir brauchen nur Lösungen.“
Vanessas Kunst als Mission für mehr Sichtbarkeit
Warum sie sich ausgerechnet bunten Korallen widmet? Sie möchte mehr von der notwendigen Sichtbarkeit für Korallenriffe aufzeigen. „Viele Leute kommen in mein Atelier und fragen mich, warum ich meinen Werken Farben hinzufüge, weil sie nicht wissen, dass Korallenriffe von Natur aus bunt sind“, verrät sie in dem Interview mit artshelp. Sie möchte damit nicht nur die natürliche Schönheit von gesunden Korallen repräsentieren, sondern auch an sie erinnern. Denn auch wenn die Unterwasserwelt für uns von Land aus oftmals unsichtbar bleibt, existiert sie, wie auch unsere Verantwortung, sie zu schützen. „Wir können nicht nur an die menschliche Spezies denken, denn dieser Planet gehört nicht nur uns“, erklärt Vanessa. Ihre Kunst unter dem Label Studio Vanessa Barragão, meist in Form von Wandteppichen, soll das Thema sichtbar machen, ob nun bei einer ihrer Ausstellungen oder zu Hause im Fall eines Erwerbs.
Wenn die Textilkünstlerin heute neue Inspiration sucht, muss sie nicht gleich in die Karibik fliegen. Auch die Natur ihrer Heimat lässt in der jungen Portugiesin die Kreativität neu auflodern. Bei der Inspirationssuche folgt sie ihrer ganz eigenen Art, meidet bewusst die Arbeiten andere Künstler:innen: „Ich habe mich noch nie inspiriert gefühlt, wenn ich mir ein Kunstwerk einer anderen Person angesehen habe, und ich schaue mir normalerweise auch nicht an, was andere Künstler machen, weil das meine Kreativität einschränkt.“ Im Austausch mit einem kreativen Menschen findet sie dagegen – ebenfalls wie in der Natur – jede Menge neuer Ideen.
Judith liebt das Leben mitten in der Metropole Köln. Ihr Gespür für spannende Storys führt sie regelmäßig zu außergewöhnlichen Themen mit aktuellem Zeitgeist. Schon seit ihrer Kindheit folgt sie ihrer Passion, dem Schreiben; seit zwei Jahren nun auch als Redakteurin. Besonders begeistern sie die Themen Psychologie, DIY und Yoga. Bereiche, über die sie als Online-Redakteurin schreibt und die sie gerne ihrer Freizeit ausübt. Ein Gespür für ästhetische Einrichtung besitzt sie bereits seit ihrem Studium im Bereich Design. Seither entdeckt sie immer wieder neue Design-Innovationen und einzigartige Architekturen, über die sie auf kronendach berichtet.