Aus Resten, Überflüssigem, Aussortiertem etwas Kreatives erschaffen: Upcycling-Künstler setzen mit ihren Werken aus Müll ein Zeichen gegen Verschwendung.
Kunst kann und darf alles. Trotzdem haben wir gewisse Vorstellungen, wenn wir an „Kunst“ denken. Leinwand und Farben, Stein, Edel-Metalle, vielleicht Ton, Glas, Gips, Holz oder Stoffe kommen uns in den Sinn. Manche Rohstoffe sind günstig, andere an sich schon sehr wertvoll. Nur: Fast niemand denkt bei Kunst an Müll oder Reste. Doch gerade damit arbeiten Upcycling-Künstler:innen. Sie sehen jedes Teil aus einer nicht-alltäglichen Perspektive und erschaffen daraus etwas Neues – mit einem Wert, der weit über die Summe der Einzelteile hinausgeht.
Einige Upcycling-Kunstschaffende haben Müll als Material für sich entdeckt, weil er im Überfluss vorhanden ist und ihre Kreativität anregt. Andere wollen ein Statement gegen zu viel Konsum und Verschwendung setzen – und nutzen dabei paradoxerweise den Rohstoff, den sie kritisieren.
Upcycling-Kunst
Micaella Pedros – Die Verbundkünstlerin
Micaella Pedros aus Guatemala verbindet scheinbar wertlose Holzreste mit umweltschädlichen Einweg-Plastikflaschen zu erstaunlichen Objekten, die Möbelstück und Kunstwerk in einem sind. Diese Kunst ging aus ihrer Abschlussarbeit am Royal College of Art in London hervor, für die sie die Technik der „Joining Bottles“ entwickelt hat: Zwei zu verbindende Holzstücke werden in eine Plastikflasche gesteckt. Wenn die Plastikflaschen erhitzt werden, schrumpfen sie zusammen und umschließen das Holz. So entstehen feste Verbindungen zweier sehr unterschiedlicher Materialien, die gemeinsam haben, wertlose Reste zu sein. In der Vereinigung gewinnen sie neuen Wert als funktionelle Objekte: Hocker, Regale, Tische und Lampen. Die Möbelstücke sind Unikate und regen zum Nachdenken über Wert, Wertlosigkeit, Müll, Nachhaltigkeit und unsere Lebensweise an.
Adam Stubley – Der Mahner
Adam Stubley ist gebürtiger Engländer und Wahlbayer. Der Objektgestalter denkt bei seiner Kunst aufgrund jahrelanger Arbeit im Messebau und Ausstellungsbranche in großen Dimensionen. Immer schon inspiriert von der Natur und den wunderbaren Materialien, die sie bereitstellt, beschäftigt er sich immer öfter mit Umweltverschmutzung durch die zunehmende Plastikflut, vor allem in den Ozeanen. Diese Besorgnis übersetzt der Künstler, der seit Jahren das Gelände für das Münchner Tollwoodfestival mitgestaltet, in Tierskulpturen aus Plastikmüll, die einerseits schön aussehen und andererseits die Aufmerksamkeit auf eines der größten Probleme unserer Zeit lenken. Wie zum Beispiel ein meterhoher Wal aus Plastikflaschen, ein lebensgroßer, mit Plastikmüll gefüllter Delfin oder ein riesiger Einsiedlerkrebs, der in einer alten Mülltonne „wohnt“ und mit getragener Kleidung aus umweltschädlichen Polyacrylfasern gefüllt ist.
Bordalo II – Der Aufrüttler
Die Upcycling-Kunst von Artur Bordalo, alias Bordalo II, ist unübersehbar. Der Künstler aus Portugal bedeckt ganze Fassaden mit – Müll. Auch seine Skulpturen aus Abfall sind riesig. Was zunächst abstoßend klingt, ist dank Bordalo IIs Kreativität und Kunstfertigkeit wunderschön. Seine „Trash Murals“ geben allen Arten von Tieren eine Stimme, die von Plastikmüll in ihren Lebensräumen bedroht sind und wirken auf uns Betrachter faszinierend, schön und irritierend zugleich. Hässliche graue Mauern und Fassaden werden durch die Street Art aus altem Spielzeug, kaputten Mülltonnen, Autoteilen, Helmen, Gummireifen, Plastikrohren und anderem Plastikmüll zu wunderschönen, bunten Hasen, Wölfen, Vögeln, Fröschen, Igeln, Affen, Elefanten und anderen Tieren. Sie machen die Stadt attraktiver und lassen uns doch keine Ruhe, schauen den Betrachtern direkt an und zwingen zum Nachdenken über unseren Lebensstil.
Dr. Laura Flöter – Die Schatz-Vergräberin
Die niederrheinische Künstlerin Dr. Laura Flöter schafft aus Altem Neues und spielt dabei mit Erwartungen, Ästhetik, Farben und Materialien. Sichtbar Gebrauchtes mit Kratzern und Macken bezeichnet sie als „Kronzeugen der Wegwerf-Mentalität“, und lässt diese Objekte in ihren plastischen Malereien unter Farbschichten verschwinden, um dann einige wieder „auszugraben“. So entstehen Kollagen, die an Landschaften erinnern: „Von Weitem sind die landschaftlichen Anmutungen gut zu erkennen – ob Wüsten, Korallenriffe, Gebirge oder sogar das Weltall, das ist ganz unterschiedlich, aber die allermeisten Betrachterinnen und Betrachter sehen eine Art von Landschaft darin. Dann treten sie näher heran und erkennen die Materialien, die die Strukturen hervorbringen, als Gegenstände, denen sie jeden Tag begegnen – Gebrauchsobjekte oder sogar Abfall im eigentlichen Sinne. Viele finden es faszinierend, wie sich etwas verwandelt, wenn es plötzlich mit Farbe überzogen ist.“, gibt Dr. Laura Flöter die Reaktionen auf ihre Kunst wieder. Und, ein großes Plus: „Meine Bilder laden zum Berühren ein, und weil sie nicht so empfindlich sind, darf man das auch!“
Mandy Barker – Die Stimme des Meeres
Seit über einem Jahrzehnt schafft Mandy Barker Kunst mittels Fotografie. Protagonist ihrer Werke ist stets der gleiche: Plastik, das an der Küste angeschwemmt wird. In einem Interview sagt die Britin: „Als ich jünger war, sammelte ich Treibholz, aber mit der Zeit wurde immer mehr Abfall am Strand angeschwemmt, besonders Plastik.“ Die gelernte Grafikdesignerin wurde während ihres Studiums der Fotografie an der De Montfort University in Leicester auf das wachsende Problem des Plastikmülls an der englischen Küste aufmerksam. Sie entschied sich, ihre Arbeit diesem Thema zu widmen. So entstellt die Strände durch das Plastik sind, so ästhetisch setzt Barker diesen Müll in ihren Bildern in Szene. Die alten Gegenstände ergeben in ihrer Anordnung, Form und Farbe eine harmonische Komposition auf dem schwarzen Hintergrund, der wie die Tiefe des Meeres erscheint. Ihre Arbeit beginnt mit dem Sammeln und Ordnen von angeschwemmten Plastikmüll. „Es ist manchmal eine bestimmte Farbe oder eine Gruppe ähnlicher Gegenstände, mit denen ich dann das Problembewusstsein in einem bestimmten Gebiet oder Land steigern möchte.“ Das Statement ihrer Kunst und die besondere Darstellung kommen an, wie Preise und Nominierungen weltweit zeigen. Barkers Arbeiten wurden in über 50 Ländern veröffentlicht, im TIME Magazine und Guardian und ihre Arbeiten bereits im weltbekannten Museum of Modern Art ausgestellt.
Jens Mohr – Der Magier
Wo andere „alten Kram“ oder einfach Müll sehen, sieht Jens Mohr „Wesen“ – man muss sie nur zusammenfügen. Aus Konservendosen, Handfegern, Waschmittelflaschen, Kronkorken, Knöpfen, krummen Nägeln, Marmeladendeckeln, rostigem Werkzeug und vielem anderen Kleinmüll fabriziert er Tiere, aber auch Personen und Fantasiewesen, die auf so schräge Weise sympathisch dreinschauen, dass man sie einfach ins Herz schließen muss. Der Autodidakt und international renommierte Künstler schafft es auf geradezu magische Weise, dass der Müll hinter seinen lustigen Kreationen verschwindet, obwohl sie ja genau daraus bestehen. Man sieht den Müll, nimmt ihn bewusst wahr, schaut verdattert noch einmal hin und erfreut sich an der Magie der Verwandlung und dem wahren „Wesen“, das jedem der Müllwesen innezuwohnen scheint.
Jane Perkins – Die Illusionistin
Bei Jane Perkins dreht sich alles um die Ästhetik. Ihre Bilder haben schon viele zum Staunen gebracht – dabei kopiert sie „nur“. Der Clou liegt bei ihr im „Wie“: Jane Perkins reproduziert berühmte Meisterwerke und Portraits aus Abfall und Fundstücken. Aus unendlich vielen alten Knöpfen in Kombination mit Schmuck, Schnüren, Gürteln, alten Spielsachen und Plastikbruchstücken entstehen mit viel Geduld eine neue Mona Lisa, Werke von Van Gogh, Monet, Vermeers, Portraits von Royals, Albert Einstein und vielen mehr. Von Weitem sehen sie den Originalen täuschend ähnlich, erst beim näheren Hinsehen erkennt man das Material und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Perkins geht es vor allem darum, Menschen eine Freude zu bereiten. „Es gibt keine versteckte Message. Ich bin zwar schockiert davon, dass bergeweise altes Spielzeug und anderer Plastikmüll in unserer westlichen Wegwerfgesellschaft zu Verfügung stehen – aber mir geht es nur um den Effekt, den das Material erzeugt. Ich bin keine Öko-Kämpferin“, ist in der Presse von ihr zu lesen. Wenn nebenbei trotzdem Plastikmüll aus der Umwelt verschwindet – umso besser.
4 Upcycling-Ideen aus Müll
Aus alt mach neu: Viele Dinge, die kaputt sind, müssen nicht gleich im Müll landen. Du kannst sie umfunktionieren und wiederverwenden. Wie? Vier Upcycling-Ideen.
1. Blumentöpfe aus Schuhen
Getragene Schuhe kannst du zu Blumentöpfen umfunktionieren. Alte Stiefel musst du nicht gleich wegwerfen. Stelle einfach deine Kräuter oder einen Blumenstock in den Stiefel. Am besten in einem Übertopf. So kann überflüssiges Wasser ablaufen und es gibt keinen Wasserstau. Stopfe vorher Zeitung in den Stiefel, um den Topf in gewünschter Höhe zu positionieren. Für Kreative: Du kannst die Stiefel auch bemalen.
2. Beistelltische und Wandregale aus Koffern
Der alte Lederkoffer steht in der Ecke. Er ist sogar noch voll funktionsfähig, allerdings besitzt er keine Rollen. Deshalb benutzt du ihn nicht mehr. Aber wegschmeißen? Nicht nötig: Aus alten Koffern kannst du in wenigen Handgriffen einen schönen Beistelltisch zaubern.
Kaufe dir Tischbeine aus Metall zum Anschrauben. Oft kannst du sie als Set im Baumarkt oder online kaufen. Schraube sie an der Unterseite des Koffers fest. Fertig! Ein Wandregal wäre dir lieber? Kein Problem: Mit zwei Regalhalterungen kannst du den Koffer auch an die Wand schrauben und als Regal nutzen. Ob Beistelltisch oder Regal: Im Koffer hast du viel Platz, um Dinge zu verstauen.
3. Stehendes Regal aus Weinkisten
Alte Weinkisten sind ideal, um daraus ein stehendes Regal zu bauen. Hier gehst du genauso vor, wie bereits oben beschrieben: Einfach die Metallfüße an die Kiste schrauben. Für den rustikalen Look: Du kannst die Weinkisten auch unbehandelt verwenden. Allerdings splittern Weinkisten oft. Um das zu vermeiden, schleifst du die Kiste mit Schleifpapier ab. Danach kannst du sie auch streichen, etwa in Weiß. Achtung: Streiche bevor du die Metallfüße montierst.
4. Lampenschirm aus alten Farbeimern
Nachdem du deine Schuhe und dein neues Regal gestrichen hast, kannst du sogar den leeren Farbeimer wiederverwenden. Mach einfach einen Lampenschirm daraus. Auch wenn der leere Farbeimer einige Dellen vorzuweisen hat – genau das macht diesen Lampenschirm zu einem Unikat. Warte bis der Rest der Farbe im Eimer getrocknet ist – und du den Eimer von der Außenseite in der gewünschten Farbe lackiert hast. Erst dann bohrst du mit einem Akkubohrer ein Loch in den Boden des Farbeimers, um das Kabel und die Glühbirne anzubringen. Natürlich kannst du auch andere Gegenstände zu Lampenschirmen umfunktionieren: Ein altes Sieb, ein alter Topf, eine alte Metallwanne.
Vera schreibt für uns remote vom Tor zu Patagonien/Chile aus. Dort ist sie als echter Outdoor-Fan genau richtig: Ob im Urwald, auf Lavafeldern oder am Pazifikstrand, Vera hält immer Ausschau nach kleinen Naturschätzen, erstaunlichen Details und kreativen Ideen. Kein Wunder, dass sie bei uns am liebsten über Travel, Nachhaltigkeit und spannende Menschen schreibt.