Mehr Artenvielfalt und eine bessere Luftqualität in der Stadt: Verdichtete Wälder machen’s möglich. In Asien bereits Mega-Trend, schlagen Tiny Forests jetzt auch in Europa Wurzeln.
Der japanische Ökologe Akira Miyawaki hatte die Idee: Tennisfeld-große, leerstehende Stadtflächen zum Aufforsten nutzen. Die Bäume setzte er etwa 30 Mal dichter als in einem natürlichen Wald. Das Ergebnis: Die Mini-Wälder wachsen schneller als herkömmliche Wälder und sind etwa hundert Mal biodiverser. Tiny Forests verbessern so das Stadtklima, reduzieren den CO2-Ausstoß, locken Unmengen an Vögeln und Insekten an und steigern das menschliche Wohlbefinden. Das bestätigen Klimaforscher: Sie haben gemessen, dass ein etwa 200 Quadratmeter großer Tiny Forest jährlich so viel CO2 bindet wie ein Auto auf der Fahrt von Barcelona nach Amsterdam ausstößt – 250 Kilogramm. Und: Menschen, die im Umkreis von 100 Metern von Tiny Forests leben seltener Antidepressiva einnehmen. Deswegen sind die Mini-Wälder in Asien längt fester Bestandteil der dortigen Städte – mehr als 1.000 dieser Tiny Forests wachsen dort bereits. Neben Japan sind Indien und Singapur Vorreiter.
Tiny Forest: von Tokio nach Darmstadt
In den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien gibt es zusammengerechnet schon mehr als 200 solcher Mini-Wälder. Am 16. November 2021 wurde der bislang urbanste Tiny Forest Deutschlands gepflanzt: auf einer 200 Quadratmeter großen Fläche mitten in Darmstadt haben 60 Schülerinnen und Schüler der benachbarten Montessori-Schule 630 junge Bäume und Sträucher gesetzt.
Der erste deutsche Tiny Forest überhaupt entstand in der Uckermark auf Initiative von Studenten der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Die Studenten gründeten anschließend den Verein MIYA e.V., um ihre Erfahrungen weiterzugeben und anderen zu helfen, Tiny Forests zu pflanzen – so auch in Darmstadt.
Nachhaltige Entscheidung; Wald statt Kaserne
Kurz vor dem großen Pflanztag kommt das Team vom MIYA e.V. in die Darmstädter Schule. Die Lehrerin Julia Bräuning erinnert sich an den Vortrag über das Mini-Ökosystem Tiny Forest: „Am Beispiel des Wimperntierchens haben sie uns erklärt, wie ein Ökosystem funktioniert. Die Schüler:innen waren zwar geschockt, haben aber dann verstanden, warum es so wichtig ist.“ Denn auch wenn die kleinen Einzeller nicht besonders sympathisch aussehen, können wir nicht ohne sie leben. Die Schülerin Clara von Rothkirch lacht und erzählt: „Ich habe mich damit immer noch nicht ganz angefreundet.“
Am Pflanztag ist die Aufregung spürbar. Das Team vom MIYA e.V. haben für die Kinder Parzellen vorbereitet mit Namen wie Eichhörnchen, Wölfe oder Biber. Sie erklären den Kindern, was zu tun ist. Dabei sind vor allem Erst- und Zweitklässler:innen. Sie können sich eine Parzelle mit ihrem Lieblingstier raussuchen. Begleitet wird jede Gruppe von Schüler:innen aus der siebten Klasse. „Das ist überraschenderweise genau aufgegangen“, sagt Clara.
Die Schritte sind einfach: Loch graben, Baum rein, Mulch drauf, gießen und auf zum nächsten Pflanzort.
Regina Körner fasst zusammen: „Am Schluss waren alle voller Schlamm und haben gefroren. Aber sie waren glücklich und stolz.“
Für den Erfolg eines Mini-Walds ist vor allem die Qualität der Böden auschlaggebend. In Darmstadt wurde das zu einer Herausforderung. Früher wurde das Gelände militärisch genutzt. Der Kampfmittelräumdienst kam zum Einsatz, um Kriegsreste aus dem Boden zu entfernen. „Dieses Projekt hat auch einen heilenden Zukunfts-Aspekt“, sagt Michael Kollmer vom Umweltdezernat Darmstadt. „Aus einem ehemaligen Kasernenhof aus der Zeit nach 1900 wird damit ein ökologischer Baustein im Kampf gegen den Klimawandel für die Innenstadt in Darmstadt.“
„Ein Tiny Forest ist kein reines Pflanz- oder Bauprojekt, das durch ein Unternehmen umgesetzt und dann sich selbst überlassen werden kann. Jeder Tiny Forest hat auch einen Bildungsauftrag“, erklärt Michael Kollmer. Die Bevölkerung soll über ökologische Kreisläufe und Wachstumsprozesse informiert werden und deshalb bei jedem Tiny Forest vom Setzen bis zur Pflege beteiligt und eingebunden werden – so formulierte es Miyawaki in seinem Konzept zum ersten Tiny Forest der Welt.
In Darmstadt ist das gelungen. Die Schule hat eine Pflegevereinbarung mit der Stadt. Die besagt: gießen, Müll sammeln und Beikraut zupfen. Gießen war bisher noch nicht nötig. Müll sammeln kaum. Es scheint dank Schildern und medialer Aufmerksamkeit viel Respekt für die Fläche mit den Jungbäumen in der Nähe des Bahnhofs zu geben.
Tiny Forest auf dem Balkon: Dank Urban Gardening
Klar: Einen Tiny Forest selbst anzulegen ist kein Projekt, das du mal so eben angehen könntest – aber: Urban Gardening und Waldbaden geht auch auf dem Balkon – denn alleine das Berühren von Pflanzen wirkt sich beruhigend auf uns Menschen aus. Vielleicht einer der Gründe, warum immer mehr Städter:innen ihren Balkon zum Gärtnern nutzen. Selbstgezogenes Gemüse schmeckt auch noch lecker – und: ein grüner Balkon verbessert das Stadtklima und bereichert die Artenvielfalt der urbanen Flora und Fauna. Egal, wie grün dein Daumen bisher ist, wir geben dir fünf Tipps für deinen Einstieg ins Urban Gardening.
Urban Gardening braucht wenig Vorwissen. Es gibt eine Reihe fast anspruchsloser Pflanzen, mit denen du dich ganz einfach ans Urban Gardening herantasten kannst. Im Vordergrund steht die Freude, Pflanzen beim Wachsen zuzusehen und irgendwann frisches und ökologisches Obst und Gemüse zu ernten.
Tipp 1 – Finde heraus, in welcher Himmelrichtung sich dein Balkon befindet
Der Südbalkon: Deine Pflanzen werden viel Sonne bekommen. Das bedeutet auch, dass deine Pflanzen viel Wasser brauchen. Besonders geeignet sind mediterrane Kräuter wie Salbei, Thymian, Rosmarin und Lavendel. Auch Erdbeeren, Tomaten, Radieschen und Gurken haben die Sonne gern.
Der West- oder Ostbalkon: Hier werden deine Pflanzen mehr Schatten haben. Schnittlauch, Petersilie, Minze und Basilikum wissen das zu schätzen. Auch Blattgemüse wächst hier gut.
Der Nordbalkon: Nicht jede Pflanze braucht Sonne. Bärlauch, Brunnenkresse und alle Minzsorten werden auf einem Nordbalkon gedeihen.
Tipp 2 – Nutze deinen Platz auf dem Balkon in Breite und Höhe
Jeder Balkon hat mehr Platz, als nur für Balkonkästen. Nutze die Decke, indem du an ihr hängende Töpfe befestigst. An den Wänden kannst du Hochbeete, Pflanztreppen oder Rankgitter anlehnen. Es gibt stapelbare Topfmodule, die du auch selbst machen kannst. Manche Pflanzen eignen sich besonders gut für das sogenannte vertikale Gardening. Dazu gehören zum Beispiel die Hänge-Erdbeere, die Teppich-Poleiminze, der Kümmel-Thymian und der kriechende Rosmarin.
Tipp 3 – Mach deine Pflanzgefäße selbst dank Upcycling
Wenn du es individuell und selbstgemacht magst, nutze Konservendosen, Eimer, und Tetrapaks als Pflanzgefäße. Leere Kunststoffflaschen eignen sich gut als hängende Pflanzkübel. Euro-Paletten sind eine einfache Lösung für Pflanztreppen. Entweder bepflanzt du sie direkt, indem du die Palette quer stellst und die Unterseiten der gegenüberliegenden Bretter verschließt. Oder du befestigst Regenrinnen oder halbierte PVC-Rohre an den Brettern.
Tipp 4 – Achte darauf, dass deine Pflanzgefäße groß genug sind
Die meisten Pflanzen brauchen mindestens 15 bis 20 cm Tiefe und 5 bis 25 zu ihrem Pflanz-Nachbarn. Achte auf ein gutes Verhältnis – zum Beispiel fühlt sich die Petersilie gut neben dem Schnittlauch, aber nicht neben dem Lavendel und der Minze. Gut neben den Schnittlauch passt wiederum die Erdbeere. Allerdings solltest du die Erdbeere nicht neben die Kartoffel pflanzen. Das begünstigt Schädlinge und Bodenpilze.
Tipps 5 – Bau dir ein Bewässerungssystem
Für eine schnelle und einfache Lösung genügt bereits eine Kunststoffflasche. Bohre Löcher in den Deckel der Flasche. Befülle dann die Flasche mit Wasser und stecke sie mit dem Deckel voraus neben deine Pflanzen. Es entsteht ein Vakuum. Die Wurzel deiner Pflanzen nehmen sich so viel Wasser, wie sie brauchen.